Lenins Überlegungen zu Fragen des Krieges im Zusammenhang mit dem am 24. Februar 2022 ausgebrochenen Ukrainekrieg
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- Kategorie: Schriftenreihe aktuell
- Veröffentlicht am Freitag, 29. März 2024 20:53
- Geschrieben von estro
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Es ist vorab eine Formalie zu klären. Ich spreche bewußt nicht von Lenins Kriegstheorie aus dem Wissen heraus, daß Lenin sich nach der Oktoberrevolution dahingehend geäußert hat, daß es für ihn schon zu spät sei, noch Militärwissenschaft zu studieren. Es liegen also Äußerungen über Kriegsfragen von einem Führer einer politisch-revolutionären Kampfpartei vor, der sich selbst nicht als Fachmann sah.
Der Sockel, auf dem alles ruht, bilden die ökonomischen Verhältnisse des Imperialismus. Einen anderen Sockel kann es nicht geben und wir müssen mit einer möglichst genauen und prägnanten Definition des Imperialismus beginnen: Er ist ein besonderes Stadium des Kapitalismus, sein ökonomischer Grundzug ist die Ablösung der freien Konkurrenz durch das Monopol. Er ist keine eigenständige ökonomische Formation, sondern das höchste Stadium des Kapitalismus. Der Imperialismus bleibt Kapitalismus als ein dreifacher: 1. als ein monopolistischer, 2. als ein parasitärer oder als ein faulender, 3. als ein sterbender. Diese vor über 100 Jahren, 1916, gegebene Bestimmungen finden in Lenins klassischer Imperialismusanalyse, betitelt: ‘Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus‘. Nach dieser Analyse äußert sich der Monopolismus auf fünffache Weise: “Kartelle, Syndikate und Truste; die Konzentration der Produktion hat eine solche Stufe erreicht, daß sie diese monopolistischen Kapitalistenverbände hervorgebracht hat; 2. die Monopolstellung der Großbankendrei bis fünf Riesenbanken beherrschen das ganze Wirtschaftsleben Amerikas, Frankreichs, Deutschlands; 3. die Besitzergreifung der Rohstoffquellen durch die Truste und die Finanzoligarchie (Finanzkapital ist das mit dem Bankkapital verschmolzene monopolistische Industriekapital); 4. die (ökonomische) Aufteilung der Welt durch internationale Kartelle hat begonnen. Solcher internationalistischen Kartelle, die den gesamten Weltmarkt beherrschen und ihn “gütlich“ unter sich teilen – solange er durch den Krieg nicht neu verteilt wird -, gibt es schon über hundert! Der Kapitalexport, als besonders charakteristischere Erscheinung zum Unterschied vom Warenexport im nichtmonopolistischen Kapitalismus, steht in engem Zusammenhang mit der wirtschaftlichen und politisch-territorialen Aufteilung der Welt; 5. die territoriale Aufteilung der Welt (Kolonien) ist abgeschlossen.“ (Lenin, Der Imperialismus und die Spaltung des Kapitalismus, Werke, Band 23, Dietz Verlag Berlin, 1960,102f.) Es kann im imperialistischen Stadium des Kapitalismus keine freien Republiken mehr geben, diese haben sich in Finanzmonarchien verwandelt. Ohne Monopole war der Kapitalismus noch relativ friedlich und die Erde war auch noch nicht aufgeteilt. Ab 1900 ist die territoriale Aufteilung der Welt in Kolonien beendet und das bedeutet natürlich Krieg und so war dann auch nach Lenin der erste Weltkrieg ein Krieg um die Neuaufteilung der ganzen Erde. Der Imperialismus bringt es mit sich, daß die koloniale und militärische Unterdrückung schlimmer ist als vor 1914.
Die Auslegung der Thematik: Imperialistische Ökonomie – Imperialistischer Krieg wird sich historisch als eine säkulare Trinität erweisen: In der Mitte bzw. im Mittelpunkt steht der imperialistische Weltkrieg, flankiert von der Oktoberrevolution und von der Thematik des Imperialismus. Die Vertiefung des Wesens des imperialistischen Krieges muß zugleich das Wissen um das Wesen des Imperialismus, das ihn bedingte, entfalten und zugleich das Wissen um die Oktoberrevolution, die ihn beendete. Wir werden ohne historisches Wissen nicht auskommen.
Die Oktoberrevolution war aus dem ersten Weltkrieg als Ausdruck eines entfesselten Imperialismus, aus einem furchtbaren Völkergemetzel und in der Hoffnung der Aktivisten auf eine unmittelbar bevorstehende soziale Weltrevolution in einem ökonomisch rückständigen, kleinbürgerlich geprägten, zudem durch den Krieg ruinierten Land hervorgegangen, das ständig von Kriegsgefahr umgeben war, innerlich vom Bürgerkrieg zerrissen. Lenin machte dann auch zu Recht die Weißgardisten für Chaos und Anarchie verantwortlich. Noch am 26. Juli 1915 hatte Lenin vermerkt, daß die sozialistische Revolution in Rußland unmittelbar nicht möglich sei. (Vergleiche Lenin, Über die Niederlage der eigenen Regierung im imperialistischen Krieg, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1957,49). Und er glaubte das bis zum Ausbruch der Februarrevolution, mit der der revolutionäre Kampf von unten für den Frieden, für die Befreiung der Menschheit von den Schrecken des Krieges begann. Mehrmals hing die Existenz der in weltrevolutionärer Hinsicht singulär gebliebenen Sowjetrepublik in dieser Situation ständiger Überfallgefahr am seidenen Faden. Zu beginnen ist mit dem Herausstreichen der weltgeschichtlichen Bedeutung der Oktoberrevolution als Erbin der Pariser Commune. Zum ersten Mal seit Jahrhunderten und Jahrtausenden haben die Sklaven den Krieg zwischen den Sklavenhaltern umgewandelt in einen mit klarem Programm versehenen Krieg der Sklaven gegen die Sklavenhalter, die erste erfolgreiche Kriegsumwandlung gegen die Kriegsführer in der Geschichte bzw. Militärgeschichte. Sie stellt den ersten Sieg auf der Bahn der Abschaffung der Kriege dar. Die erste bolschewistische Revolution hat die ersten hundert Millionen Menschen auf der Erde dem imperialistischen Krieg, den Regierungen, die Kriege führen und keinen Waffenstillstand wünschen, entrissen. Sie hat diese Menschen vom Alpdruck des ewigen Mordens befreit. Kriege werden von Regierungen geführt. Das Wort ‘Krieg‘ muß sofort mit dem Wort ‘Regierung‘ assoziiert werden, denn in der Regel ist der Krieg ein imperialistischer, ein Regierungskrieg.
Nach dieser kurzen Ausführung über die weltgeschichtliche Bedeutung der ohne die Revolution von 1905 nicht möglichen Oktoberrevolution, die in einer Zeit des Sieges des Opportunismus, des verfaulten europäischen Sozialismus in der westeuropäischen Arbeiterbewegung ausbrach, Rosa Luxemburg saß zur Zeit des Ausbruchs der Oktoberrevolution im Gefängnis, Karl Liebknecht stellte die Forderung auf, die alten Parteien an Haupt und Gliedern zu reformieren und die Gewehre gegen den Kaiser zu richten, möchte ich sogleich ohne viel Umschweife auf den Kern der Sache kommen: Es liegt ein Text von Lenin vom 4. Dezember des Jahres 1922 vor, in dem er in konzentrierter Form auf den hohen Schwierigkeitsgrad zu sprechen kommt, der der Kriegsfrage eignet. Der Krieg scheint doch zunächst etwas zur taghellen Einsicht zu sein, zwei Todfeinde stehen sich waffenmäßig bestgerüstet nach ihren Möglichkeiten offensichtlich gegenüber, er hat aber eine tiefe dunkle abgründige, auch listige Nachtseite. Die Überschrift dieses Textes lautet: Notizen zur Frage der Aufgaben unserer Delegation im Haag, zu finden ist er nicht in der 40bändigen Gesamtausgabe des Dietz Verlages, wohl aber in dem Buch: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1956,295ff. Zu finden ist er auch in den Ausgewählten Werken, Band 10 der Kommunistischen Internationale, Moskau 1937.
Vom 10. bis zum 15. Dezember 1922 fand ein Internationaler Friedenskongreß im Haag statt, der unter dem Druck der Arbeitermassen von der Amsterdamer Gewerkschaftsinternationale zum Kampf gegen die Gefahr eines neuen Weltkrieges, in dem wiederum Morden die Hauptbeschäftigung der Proletarier der kriegführenden Nationen sein würde, einberufen worden war. Der erste Weltkrieg als ein Krieg zwischen zwei Großmächtegruppen hatte die Völker mit furchtbarem Elend überschüttet und zugleich den größten Verrat der Opportunisten am Sozialismus aufgedeckt. Zu diesem Kongreß war auch eine sowjetische Delegation eingeladen. Und für die Mitglieder dieser Delegation hat Lenin Instruktionen diktiert. Um es gleich vorwegzusagen, das Aktionsprogramm der Leninisten wurde von der Mehrheit des Kongresses abgelehnt.
Der Tenor dieses Textes von Lenin aus dem Jahr 1922 lautet: Man darf die Frage des Krieges auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen. Der erste Fehler, der hier begangen wird, ist der, daß man die Frage für verhältnismäßig einfach und klar nimmt. Die Reformistenführer antworten auf den Krieg gewöhnlich mit der Frage: Streik oder Revolution? Man kann auf den Krieg weder mit einem Streik noch mit einer Revolution im einfachen und buchstäblichen Sinne antworten. Die gewaltige Mehrzahl der zum Heer Einberufenen wird verwirrt in den Krieg ziehen. Man darf nicht nachlässig an diese Frage herangehen, auch der altchinesische, von Mao öfters zitierte Kriegsphilosoph Sun Wu Tzu (Sunsi), 534 – 453 v. u. Z., unterband gleich zu Beginn seines kriegswissenschaftlichen Hauptwerkes ‘Die Kunst des Krieges` jegliches spielerische Treiben der ihm zur Ausbildung anvertrauten Eleven. Schon der junge Marx hatte im Alter von 25 Jahren in einem Brief im März 1943 an Ruge geschrieben: “Der Staat ist ein zu ernstes Ding, um zu einer Harlekinade gemacht zu werden“ (Karl Marx, Brief an Ruge, in: Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1960,338).
Es ist extrem schwierig, einen Krieg richtig zu lesen, das Wesen der verschiedenen Kriege zu erkennen. Das gilt auch für den gegenwärtigen Ukrainekrieg bzw. ‘Krieg um die Ukraine‘. Lenin spricht vom Geheimnis des Krieges, vom Geheimnis, in dem der Krieg geboren wurde. Wie groß ist das Geheimnis, in dem der Krieg geboren wurde? Wir verfügen durch das Studium der Imperialismusanalyse Lenins über die Möglichkeit, den imperialistischen Charakter moderner Kriege zu entschleiern und das bedeutet einen großen Schritt nach vorn für die Ausrichtung des Kampfes gegen den Krieg. Die Bundesregierung als deutscher Millionärsausschuss ist an dem Ukrainekrieg auf Seiten des US-Imperialismus beteiligt. Für die deutschen Kommunistinnen und Kommunisten steht der Hauptfeind im eigenen Land, dieser muß niedergerungen werden. Von Lenin stammt ja ein Artikel vom Juli 1915, der die Überschrift trägt: ‘Über die Niederlage der eigenen Regierung im imperialistischen Krieg‘. In ihm steht, daß die Niederlage in allen Ländern herbeizuführen ist, daß zwischen revolutionärer Agitation gegen die Regierung und Förderung ihrer Niederlage ein untrennbarer Zusammenhang besteht. Die Niederwerfung der deutschen Bourgeoisie wäre ein empfindlicher Schlag gegen den US-Imperialismus, dem Hauptfeind der Völker der Welt, der für ihre Vertierung sorgt. Das Wort ‘Vertierung‘ verwendet Lenin im Zusammenhang mit dem imperialistischen Krieg, der die Interessen der Kapitalisten der fortgeschrittensten Länder wahrnimmt und der der reaktionärste aller Kriege ist. Das Fortgeschrittenste ist das Reaktionärste. Den Kapitalisten interessiert nur der Profit, nicht daß sich in dessen Namen die Völker gegenseitig ausrotten. Angesichts großer Kampagnen zur Desinformation, Chaos der Meinungen, nicht zu bestätigenden Angaben und widersprüchlichster Meldungen halte ich es für angebracht, Genossinnen und Genossen mit entsprechenden Sprachkenntnissen ins Kriegsgebiet zu entsenden, um eine richtige Widerspiegelung der ukrainischen Wirklichkeit zu erhalten, denn der Versuch, sich durch Konsum der politischen Nachrichten der großen bürgerlichen Sendeanstalten dem Geheimnis zu nähern, käme dem törichten Vorhaben eines heilbaren Blinden mit einem Promille im Blut gleich, sich von einem unheilbaren Blinden mit zwei Promille im Blut nach Hause führen zu lassen. Es sind ja nicht nur die imperialistischen Sendeanstalten, die die Massen in die Irre führen, es sind auch die Spitzen der kleinbürgerlichen und bürgerlichen politischen Parteien, wenn für sie das Wort ‘Imperialismus‘ im Wortschatz fehlt. Das Proletariat wird doch mehr durch seine falschen Freunde desorganisiert als durch seine Kernfeinde.
Für Marxisten ist das Übereinkommen heute, daß es sich im aktuellen Krieg um die Ukraine um einen imperialistischen Krieg von beiden Seiten handelt, wie Lenin sagt: Wenn die Raben zusammenfliegen, so heißt das, daß es nach Aas stinkt. Der Krieg um die Ukraine scheint mir ein Krieg zu sein, der noch relativ leicht zu lesen ist. Im Moskau der Oligarchen darf man das Wort Krieg nicht in den Mund nehmen, im bürgerlichen Berlin ist das Wort vom imperialistischen Krieg außen vor. Es wird suggeriert, daß er seitens des Westens ein Krieg für die Demokratie und gegen den politischen Totalitarismus ist, also ein Befreiungskrieg, was er mitnichten ist. Im Wirrwarr der bürgerlichen, unwissenschaftlich vorgehenden Massenmedien ist die Frage, wer den Krieg begonnen habe, von entscheidender Wichtigkeit, es ist im aktuellen Krieg ja eindeutig, während es für Lenin bei einem Krieg unter Imperialisten gleichgültig ist, wer den Krieg begonnen hat. Es ist ein Krieg unter Räubern, beide Seiten sind schuldig als Räuber und als Kriegsverbrecher (Vergleiche Lenin, Konferenz der Auslandssektionen der SDAP, in: Lenin, Der Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1957,40).
Lenin fährt dann in seinem Text für die Haager Delegation fort – und dieser Text ist eine Aneinanderreihung von negativ zu beurteilenden Seiten der sozialistischen pseudowissenschaftlichen Auffassungen vom Krieg und des Versagens der Sozialisten. Es geht um ihre fehlerhaften Einbildungen in der Frage des Krieges, um ihre Illusionen, so zum Beispiel, wenn er sagt, daß eine gewöhnliche Arbeiterorganisation, auch wenn sie sich als revolutionäre Organisation bezeichnet, in der Kriegsfrage überfordert ist. Die Mehrheit der Werktätigen wird auf die Vaterlandsverteidigung oder auf die Errettung der Heimat hereinfallen. Die gewaltige Mehrheit wird sich unvermeidlich zugunsten ihrer Bourgeoisie entscheiden. In diesem Zusammenhang assoziiert man natürlich den 4. August 1914: Die hochkriminelle sozialdemokratische Einsegnung der Kriegskredite. Man habe die Kredite in dem Sinne bewilligt, daß ihn zugestimmt worden war gegen die Niederlage, nicht für den Sieg. So wurde die Politik der Bourgeoisie unter der Fahne des Sozialismus eingeschmuggelt. Fahne Das trägt natürlich keineswegs dazu bei, den Zerfall der eigenen imperialistischen Großmacht zu fördern, auch nicht die von Kautsky vertretene Politik des Burgfriedens, bis zum Ende des imperialistischen, sklavenhälterischen Krieges auf revolutionäre Kampfmittel zu verzichten. Kein Sozialdemokrat hatte an die Notwendigkeit illegaler Organisationen für die Antikriegsarbeit gedacht, aber jeder Sozialdemokrat bis auf Karl Liebknecht hatte die Baseler Resolution vergessen, die gerade diese Umwandlung für Sozialisten zur Pflicht gemacht hatte. Um eine Antikriegsarbeit auf Dauer zu gewährleisten, ist die Bildung und Aufrechterhaltung einer illegalen Organisation unumgänglich. Den Massen muß gesagt werden, daß eine illegale Arbeit und eine illegale Presse notwendig sind.
Der Sozialismus ist im Imperialismus, im überreif gewordenen Kapitalismus, gespalten, es gibt zwei Parteien in der SPD, die eine arbeitet für die Bourgeoise und für den imperialistischen Krieg, und nur die eine arbeitet illegal gegen diesen Krieg und die ihn führende Bourgeoisie. Zum Boykott eines Krieges aufzurufen ist dumm, der Krieg kann nicht durch die Weigerung, Krieg zu führen, beendet werden – ebenso Fahnenflucht, ebenso Kriegsdienstverweigerung, ebenso Streik gegen den Krieg. Entscheidend ist, ob das Proletariat bewaffnet ist, denn die Sozialisten rufen nicht bloß zum Kampf gegen die Bourgeoisie auf, sondern zum bewaffneten Kampf. Für Lenin konnte die Restauration der Zarenmonarchie durch die Februarrevolution nur durch die Bewaffnung des Proletariats verhindert werden. Nur Idioten können ohne verzweifelten Bürgerkrieg oder eine Reihe von Kriegen unbewaffnet gegen die bewaffnete Bourgeoisie kämpfen. Die Kommunisten müssen in jeden beliebigen reaktionären Krieg gehen. (Lenin, Notizen zur Frage der Aufgaben unserer Delegation im Haag, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag, Berlin, 1960,297). Wer sagt und argumentiert, daß der Krieg ein Verbrechen sei, gibt nur einen leeren Wortschwall von sich. Das enthält keinerlei Konkretheit (a.a.O.).
Der Krieg ist ein Verbrechen, also ist es gut, von der Fahne zu fliehen. Dazu sagt Lenin: Fahnenflucht aus bürgerlich-reaktionären Armeen ist naiv und vorallem dumm, denn dem Krieg kann sich niemand entziehen, er hat seine vorerst, in den Ären des Klassenkampfes, ehernen Gesetze: Die erste markante Stelle militanter Konfrontation zwischen Lohnarbeit und Kapital finden wir in Marxens Schrift: ‘Das Elend der Philosophie‘ aus dem Jahr 1847. An ihrem Ende heißt es: “ …daß eine auf Klassengegensatz begründete Gesellschaft auf den brutalen Widerspruch hinausläuft, auf den Zusammenstoß Mann gegen Mann als letzte Lösung“ (Karl Marx, Das Elend der Philosophie, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,182). Der Kriegskonfrontation ist nicht zu entkommen. Der Proletarier kann dem einzelnen Kapitalisten davonlaufen, nicht aber der Kapitalistenklasse. Immer wieder kommt es zu Bürgerkriegspositionen bzw. zur Bürgerkriegsoppositionen. Diesem Bürgerkriegsgespenst in die Augen zu schauen ist nicht leicht. Der Krieg Mann gegen Mann, sodann Klasse gegen Klasse, wird verdrängt, die Belastung des Kopfes ist kriegspsychologisch nicht auszuhalten und das in den Kasernen Zwangsrekrutierten Indoktrinierte wird rasch vergessen. Gerade die Sucht nach Ablenkung vom kriegerischen Denken prägt die Vorbereitungszeit, die Vorbereitungskrise des Krieges beim gemeinen Mann, der eine Soldatenmentalität sein Leben lang nicht durchhält, wozu aber Berufsrevolutionäre verdammt sind. Man gibt sich Illusionen hin, es wird schon nicht so schlimm werden. Zum Ausbruch des ersten Weltkrieges am 28. Juli 1914 hieß es unter Landsern, wir werden Weihnachten schon wieder zu Hause sein. Hegel hatte geschrieben: Nicht das Leben, daß sich vor dem Tode scheut und vor der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt und in ihr sich erhält, ist das Leben des Geistes. In der 68er Studentenbewegung geschah die Verdrängung bis auf die RAF (Rote Armee Fraktion), durch die stadtguerillamäßig in Form des brutalen Widerspruchs von Mann gegen Mann, kriegerische Tat vorlag, durch Formen des Happenings. Den meisten war die Sache viel zu heiß. Was ist nicht alles von der kleinbürgerlich-studentischen 68er Bewegung verpatzt worden? Ob in den Hasch-Kommunen, im chaotisch-maoistischen Westberlin oder als Eigenbrötler in einer Berghütte in der Schweiz: Das Waffenhandwerk ließ sich dort nicht erlernen und daß der Hauptfeind im eigenen Land steht, ebenso wenig. Auf Flugblättern wurde zur Desertion aus der Bundeswehr aufgerufen. So haben die intellektuellen Möchtegerne-Sozialisten und ihre Nachfolger/innen in der Partei »Die Linke« und in den vielen kleinbürgerlichen Diskutierklubs bis heute nicht begriffen, daß der konterrevolutionären Schlange nach dem Vorbild der Pariser Commune der Kopf zertreten werden muß durch die Umkehrung der Stiefel und Gewehre. Die Commune war die Umwandlung eines Völkerkrieges in einen Bürgerkrieg. Der spätkapitalistischen Gesellschaft ist eine dermaßen autoritäre Struktur eingebrannt, daß heute eine Forderung aus der Novemberrevolution nur noch den Kommunistinnen und Kommunisten geläufig ist: Wahl der Offiziere. Das, was zu einer Demokratie unbedingt dazu gehört, ihr elementar ist, ist dem Bürgertum als klassendiktatorische, volksverachtende Terrorklasse ein Graus. Die Bundeswehr ist keine Volksarmee. Gelingt es, diese Forderung mit in den revolutionären Prozeß einzuflechten, so kann man von einem Meisterwerk der Revolution sprechen, denn wir wissen, daß nach Engels die Revolution eine äußerst autoritäre Sache ist. Zu fragen ist, ob nicht die Oktoberrevolution belegt, daß in Prozessen der Revolution und ihrer Steigerung in den Bürgerkrieg die Wahl der Offiziere durch die Mannschaften, also von unten, friedlichen Zeiten vorbehalten bleiben muß, daß in Krisen- und Kriegszeiten eine marxistisch-leninistische Kaderpartei gemäß der Kriegslage Offiziere ernennen muß.
Die käufliche bürgerliche Presse spricht von der Vaterlandsverteidigung und die sozialistische Presse ist völlig machtlos dagegen, auch sie vertritt in der Kriegsfrage grundfalsche Ansichten. Die kommunistische Presse wird sich in der Mehrzahl der Länder wahrscheinlich blamieren (a.a.O.). In Parlamentsreden und in Reden außerhalb des Parlaments sagen kommunistische Abgeordnete viel Falsches zur Frage des Kampfes um den Frieden. Es gibt eine Anzahl von Beschlüssen von Arbeiterkongressen, die unendlich dumm und leichtsinnig sind.
Auf der Haager Konferenz muß den Teilnehmern von der sowjetischen Delegation klar gemacht werden, daß sie sich lediglich einbilden, den kommenden Weltkrieg in den Griff zu bekommen. Die Teilnehmer müssen sich historisch mit den Ansichten der russischen Sozialisten zum 1. Weltkrieg vertraut machen, mit allen Schattierungen, die nicht zufällig auftraten, sondern durch die Natur des modernen Krieges ins Leben gerufen wurden. Man muß faktische Beispiele aus dem letzten Krieg heranziehen.
Weiter müssen sich die Teilnehmer der Konferenz mit den gegenwärtigen Konflikten, und seien es die allergeringsten, auseinandersetzen. Ein Krieg kann sich aus einer bedeutungslosen Meinungsverschiedenheit ergeben, Lenin gebraucht die Formulierung: ein kleiner Nasenstüber reicht aus, so daß aus dem Funken die Flamme schlage. An den gegenwärtigen Konflikten muß man aufzeigen, daß ein Krieg jederzeit, daß ein Krieg jeden Tag ausbrechen und über die Völker hereinbrechen kann. Die Schwelle hierzu haben wir bereits erreicht. Das ist heute sehr aktuell, die Imperialisten haben genug Sprengstoff angesammelt, um ganze Kontinente in die Luft zu sprengen.
Wie gesagt, das Aktionsprogramm der Leninisten wurde von der Mehrheit des Kongresses abgelehnt. Nimmt man nun noch hinzu, daß es geschichtlich nur wenige gerechte, in der Mehrzahl aber reaktionäre Kriege gab und gibt, daß die Widerstandskraft der Reaktion zunimmt, je weiter sich eine Revolution entwickelt. so ist das zunächst doch recht deprimierend. Auf 9 Konterrevolutionen kommt eine Revolution. Und so gelangt Lenin zu der Schlußfolgerung, daß, wenn der Krieg der Unterdrückten und Ausgebeuteten gegen die Unterdücker und Ausbeuter eine Millionen Opfer fordert, die Bourgeoisie immer sagen wird, die Opfer der Weltkriege seien berechtigt, die des roten Bürgerkrieges terroristisch und verbrecherisch. (Vergleiche Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, in: Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1956,211). Es kam gegen Ende August 2022 auf ARTE eine Dokumentation über den Archipel Gulag. Vor ihrer Ausstrahlung wurde gewarnt, daß diese Sendung wegen Gewaltdarstellungen für Jugendliche gefährdend sei, diese Warnung bleibt aber weg, wenn die Bourgeoisie in Dokumentationen auf demselben Kanal ihre Millionen Leichenberge aus den Weltkriegen rechtfertigt, indem sie die wahren ökonomischen Hintergründe verschweigt.
Ein imperialistischer Krieg von beiden Seiten wie der um die Ukraine bricht nicht plötzlich aus, sondern wird von langer Hand von den mit dem Finanzkapital verwobenen Regierungen vorbereitet, deshalb muß man die Geschichte der Außenpolitik, der Diplomatie Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vor seinem Ausbruch studieren. Man muß das Studium des Krieges nicht mit seinem Ausbruch beginnen, sondern mit seiner ökonomischen, politischen und diplomatischen Vorgeschichte. Man muß die Entwicklung des Finanzkapitals im Auge behalten, denn es ist das Finanzkapital, also die von Hilferding aufgetane Verschmelzung von Bank- und Industriekapital, das die Völker Rußlands und die Ukrainer seit dem 24. Februar in den rasenden Krieg hetzte. Grundsätzlich ist festzuhalten, daß das für den Imperialismus typische Finanzkapital mit dem für ihn typischen Kapitalexport am Krieg besser verdient als am Frieden und daß es die Kosten des Krieges auf die Lohnsklaven abwälzt. Die internationale Bourgeoisie läßt sich nach dem Krieg Tribute von den Lohnsklaven dafür zahlen, daß sie ihren Lohnsklaven gestattete, Millionen ihrer Brüder, Lohnsklaven wie sie, in einen Krieg um die Teilung der imperialistischen Beute zu morden. So gesehen ist der imperialistische Krieg eine unendliche Geschichte. Es ist naiv, eine Beendigung dieses imperialistischen Krieges von beiden Seiten von einer staatsmännischen Personalie zu erwarten, weder ein Erdogan noch ein Guterres können hier eine Feder führen, denn sie sind selbst imperialistischen Organisationen verpflichtet. Aber nicht nur deswegen.
Seit über einem halben Jahr lassen sich in den bürgerlichen Massenmedien politische und militärische Experten ins Quadrat erhoben über den imperialistischen Krieg aus, nur auf das Entscheidende kommen diese Experten nicht und können sie auf Grund ihrer familiären, schulischen und staatlich-universitären Verblödungserziehung auch nicht kommen. Das dem imperialistischen Krieg komplementäre Wort, man könnte auch vom Zwillingswort sprechen, das Wort ‘Finanzkapital‘ kann natürlich in bürgerlichen Massenmedien nicht passieren. Wir bekommen eine typische Halbbildung verabreicht, die uns im Unklaren läßt. Lenin sagte, daß in neun Zehntel aller Gespräche über den imperialistischen Krieg leeres Stroh gedroschen wird, weil man grundsätzliche Fragen unerörtert läßt: Welche Klassen führen den Krieg und welchen Klassencharakter trägt er demzufolge? Das eben geht den bürgerlichen Militärexperten nicht durch den Kopf, im 20. Jahrhundert zeigten insbesondere der russische Bürgerkrieg 1918ff. und der Vietnamkrieg, wie bürgerliche Militärexperten daneben liegen können.
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß das für den Imperialismus typische Finanzkapital am Krieg besser verdient als am Frieden und daß es die Kosten des Krieges auf die Lohnsklaven abwälzt. So gesehen dürften imperialistische Kriege eine unendliche Geschichte werden. Sie sind dies aber nicht. Der erste unvermeidbare Weltkrieg, es gab nur den Ausweg des Krieges, und auch der zweite unvermeidbare Weltkrieg, es gab wiederum nur den Ausweg des Krieges, in denen es um den Sieg zur Ausbeutung der Welt durch wenige Großbanken ging und in dem es um die Prüfung der tatsächlichen Stärke kapitalistischer Staaten ging, endeten nach vier bzw. nach sechs Jahren, der Blutzoll war unsagbar, was sagen nüchterne Zahlen hier schon aus?, aber verglichen mit Kriegen in der Geschichte, man denke nur an den dreißigjährigen, gar hundertjährigen Krieg, waren sie relativ kurz. Zum Blutzoll von Kriegen ist anzumerken, daß Lenin in seinem politischen Hauptwerk ‘Staat und Revolution‘ darauf hinwies, daß eine Revolution den Völkern immer billiger kommt als ein Nationalkrieg (Vergleiche Lenin, Staat und Revolution, Werke, Band 25, Dietz Verlag Berlin, 1960,477). Nach der Revolution sagte er: Wir werden allen kriegführenden Völkern einen gerechten Frieden und einen sofortigen Waffenstillstand an allen Fronten anbieten.
Das Ende des ersten Weltkrieges hat Lenin noch miterlebt und seine Gedanken über diese Beendigung eines imperialistischen Krieges haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Ende Januar 1917 verfaßte er die Schrift ‘Eine Wendung in der Weltgeschichte‘ und gerade in ihr finden wir die richtigen Keime, die von Scholz diagnostizierte Zeitenwende, mit der er 100 Milliarden € außerplanmäßig dem reaktionären Offizierskorps der Bundeswehr zuschusterte, Richtung einer Periode imperialistischer Kriege wiederum zu einer Periode internationalen Friedens zu wenden. Wenden wir uns also dieser Schrift zu. Im Zusammenhang mit Scholz ist an Gustav Noske zu erinnern: “Wir wünschen, daß Deutschland gerüstet sei wie nur möglich.“
Lenin geht Anfang 1917 von einer Wendung des imperialistischen Krieges zu einem imperialistischen Frieden aus. Frieden definiert Lenin als Registrierung und schriftliche Festlegung tatsächlicher Machtverschiebungen, die im Verlaufe und im Ergebnis des Krieges erreicht wurden. Eine bolschewistische und sogar eine bürgerliche Februarrevolution, diese allerdings nur noch kurz, schlummerten noch unter der Decke der Weltgeschichte. Die imperialistische Wendung der Dinge aber war eine Tatsache, weil die Goldquelle des ersten Weltkrieges am Versiegen war. Man lese und staune: Goldquelle des Krieges, ebenfalls ein Fremdwort in der bürgerlichen Kriegsberichtserstattung. Goldquelle für die vollgefressenen Imperialisten und für diese Goldakkumulation mußten im ersten Weltkrieg 10 Millionen Menschen ihr Leben lassen. Aber diese Quelle sprudelt eben nicht ewig. “Mit Hilfe des jetzigen Krieges den Arbeitstieren der Lohnsklaverei das Fell noch weiter über die Ohren zu ziehen, das geht wohl nicht mehr, - darin liegt eine der tiefsten ökonomischen Ursachen der jetzt zu beobachtenden Wendung in der Weltpolitik. Es geht nicht mehr, weil die Hilfsquellen insgesamt zur Neige gehen“. (Lenin, Eine Wendung in der Weltpolitik, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1956,116). Man beachte, daß das Wort ‘jetzigen‘ von Lenin kursiv gesetzt worden ist, d. h.: Sollte die Goldquelle Ukraine versiegen, sucht sich das Finanzkapital neue Quellen, es zettelt klassenberechnend neue Kriege anderswo an, es wird sich erneut in eine imperialistische Raubpolitik verstricken, um Milliarden Gewinne einzustecken. Es besteht also auch die Möglichkeit eines imperialistischen Friedens zur Beendigung des Ukrainekrieges, ein Friede allerdings auf dem Boden des Alten und Morschen, der die Lage der Massen verschlimmert, da die bürgerliche Gesellschaft bestehen bleibt. Die denkbar schlechteste Lösung, denn er bedeutet, daß sich die internationale Bourgeoisie nach dem Krieg Tribute von den Lohnsklaven dafür zahlen läßt, daß sie ihren Lohnsklaven gestattete, Tausende ihrer Brüder, Lohnsklaven wie sie, in einem Krieg um die Teilung der imperialistischen Beute zu morden. Eine weitere Minimalvariante wäre, daß die blutsaugenden Oligarchen einer Seite, noch besser beider Seiten, von den in den Krieg hineingezogenen Völkern gestürzt werden, um einen demokratischen Frieden, der ohne eine Reihe von Revolutionen nicht zu erringen ist, zu erzwingen. Um endgültig der Hölle des imperialistischen Krieges weltweit zu entkommen, müßte als Maximalvariante der Sturz aller Oligarchen proletarisch-kleinbäuerlicher Provenienz sein, als Signal einer idealer proletarisch-kleinbäuerlichen Weltrevolution. Das war das Vorhaben des roten Oktober 1917 und das ist auch 2022 der einzige Weg zur Beendigung imperialistischer Völkergemetzel. Was Lenin gegen Ende des ersten Weltkrieges schrieb, daß nämlich dessen Beendigung nur durch die Fortführung der Revolution gegen das Finanzkapital zu erreichen ist, gilt auch im Vorfeld des dritten.
Ich schreibe diese Zeilen am 1. September 2022, 83 Jahre nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges. Vor zwei Tagen, am 30. August 2022, ist Michail Gorbatschow gestorben, der selbstlose Agent des internationalen Finanzkapitals, der nach Hitler, ebenfalls ein weniger selbstloser Agent dieses Finanzkapitals, den Völkern der Welt im 20. Jahrhundert personenbezogen, also nur skizzenhaft (Männer machen keine Geschichte), größten Schaden zugefügt hat. 83 Jahre nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges und zwei Tage nach dem Tod Gorbatschows sind es die objektiv vorliegenden, auf einen dritten Weltkrieg ausgerichteten imperialistischen Kriegsmaschinerien, die immer noch dafür sorgen, daß der Name Lenin den nach Frieden und Freiheit durstigen Völkern voranleuchtet. Ein revolutionärer Friede hatte er am 15. Juni 1917, also noch vor der Oktoberrevolution, in der Prawda geschrieben, werde es höchst wahrscheinlich machen, “daß der Untergang von Hunderttausenden von Menschen vermieden wird.“ (Lenin, Erster Allrussischer Kongreß püp 162).
Es ist in dialektischer Endkonsequenz der imperialistische Weltkrieg selbst, der den Weltfrieden herbeiführt. Gegen die selbstgerechten Pazifisten, Sozialpazifisten und Anhänger der Armeentwaffnung, die trotz allen Weihrauchs im Gehirn im Grunde Helfershelfer kapitalistischer Ausbeuter sind, die den Kampf um die Teilung der imperialistischen Beute bemänteln, dafür bezahlt werden, daß sie die Herrschaft des Kapitals befestigen, die Beruhigungsmittel für die Völker darstellen, also objektiv Kriminelle sind, die Volksmassen einschläfern, sie vom revolutionären Kampf ablenken, die die Ausbeutung durch die Kapitalisten vernebeln, die nur durch eine Reihe von Revolutionen gestürzt werden können, hat Lenin den ersten imperialistischen Krieg einen großen Beschleuniger der Geschichte, einen großen Regisseur im Hintergrund genannt und gerade diese Überlegung ist für dialektisch ungeschulte Menschen so schwer nachvollziehbar. Eine Studentin war recht verstört, als sie von mir erfuhr, daß nach Lenin Kommunisten in einen reaktionären Weltkrieg ziehen müssen. Der Weltkrieg hat der Revolution geholfen, denn er hat in der Handhabung von Waffen ausgebildet. Es ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich, daß schon Engels 1847 in den Grundsätzen des Kommunismus davon ausging, daß die Feinde der Kommunisten sie in eine Revolution hineinjagen werden. Denn für die ökonomischen Grundlagen des Sozialismus hat nach Lenin schon der erste Weltkrieg gezeigt, daß und wie die Zeit für den Sozialismus reif geworden war: Unter der Anspannung der Volkskräfte hat er gezeigt, wie das gesamte Wirtschaftsleben von 50 Millionen Menschen von EINEM Zentrum aus gesteuert werden kann. Der Krieg gibt vor, wie eine planmäßige Gemeinwirtschaft betrieben werden kann. Pazifisten und Entwaffnungsanhänger entfliehen der schlechten Wirklichkeit und betreiben Winkelpolitik. Man sollte sich nach Meinung der Spießer von den großen Kriegen fernhalten. Die Politik der Entwaffnung entwickle sich in reaktionärer Kleinstaaterei. Beide Strömungen umgehen alle konkreten Fragen der proletarischen Revolution und beide beachten nicht die Tatsache, daß es neben ungerechten Kriegen auch gerechte Kriege gibt. Gegen die Entwaffnung und den Pazifismus sprechen auch revolutionäre Bürgerkriege als Weiterentwicklung des Klassenkampfes, dieses nicht zu sehen, läuft auf Revolutionsverweigerung hinaus. Also können Sozialisten nicht pauschal gegen jeden Krieg sein. Es gibt in der Phase des Imperialismus, dessen Politik sich aus der Gesamtheit der Verhältnisse der imperialistischen Epoche ergibt, eine Politik des finanzkapitalistischen Raubes, der Ausplünderung der Kolonien, der nationalen Unterdrückung, der politischen Reaktion, der Verschärfung der kapitalistischen Ausbeutung, es gibt eben in der Phase des Imperialismus auch nationale Kriege, die sich aus der Tatsache ergeben, daß der Imperialismus die Entwicklung des Kapitalismus in den rückständigen Ländern fördert. Rosa Luxemburg (Deckname Junius) leugnet das. Um die Kontroverse mit Luxemburg zu erhellen, greifen wir zu Band 22 der braunen Werkausgabe, auf Seite 313 legt Lenin zunächst Luxemburgs Auffassung vor, daß es im Imperialismus keine nationalen Kriege mehr geben kann, um sie sodann zu widerlegen. Rosa Luxemburg, ihr damaliger Deckname war Junius, sieht die Sache in der imperialistischen Ära so: Die nationalen Interessen dienen nur als Täuschungsmittel, um die arbeitenden Volksmassen ihrem Todfeind, dem Imperialismus dienstbar zu machen. Lenin betont, daß das Gegenteil der Fall sein kann: “Die Unrichtigkeit dieses Arguments ist augenfällig. Selbstverständlich ist es ein Grundsatz der marxistischen Dialektik, daß alle Grenzen in der Natur und in der Gesellschaft bedingt und beweglich sind, daß es keine einzige Erscheinung gibt, die nicht unter gewissen Bedingungen in ihr Gegenteil umschlagen könnte. Ein nationaler Krieg kann in einen imperialistischen umschlagen und umgekehrt.“ (Lenin, Über die Junius Broschüre, Werke, Band 22, Dietz Verlag Berlin, 1960,313f.). Ein Beispiel: Die progressiven nationalen französischen Kriege nach 1789 schlugen während des napoleonischen Kaiserreichs in imperialistische Kriege um, gegen die Befreiungskriege gegen den Imperialismus Napoleons erzeugt wurden.
Und Lenin geht noch weiter: Es ist durchaus möglich, daß der Sozialismus in einem Land siegt, dann wäre ein sozialistischer Verteidigungskrieg durchaus legitim. Zu erinnern ist auch an Marx und Engels, die sich 1848 für einen Krieg Deutschlands gegen Rußland, dem Hort der europäischen Reaktion, aussprachen. Und wie soll man ohne Waffengewalt die Reaktionäre niederzwingen? Ohne Waffen und mit bloßer pazifistischer Gesinnung wird gerade das Schwierigste umgangen, die Unterdrückung der Volksfeinde zu organisieren. Es gibt Landesverteidigung und Landesverteidigung. Eine reaktionäre imperialistische und eine fortschrittliche revolutionäre. Die Epoche des Imperialismus bringt zum Beispiel die Politik des Kampfes gegen die nationale Unterdrückung hervor, des Kampfes gegen die Bourgeoisie und die Vereinigung beider Arten von revolutionären Kriegen. Wer sich nicht in Waffen übt, hat es nicht anders verdient als Sklave fortzuvegetieren, zumal die unterdrückende Klasse immer bewaffnet ist. Die Bewaffnung der Bourgeoisie ist eine kardinale Tatsache und diese stellt für das Proletariat ein Schrecken ohne Ende dar. Der Bürgerkrieg gegen die Bourgeoisie wird durch die Bourgeoisie selbst vorbereitet, ganz einfach: Der Sozialismus ist ein Produkt des Kapitalismus, ganz schwierig: Die Revolution im Sinn von politischer Umgestaltung zwischen ihnen ist kein einzelner Akt, sondern eine Serie von Revolutionen, eine Epoche stürmischer politischer und ökonomischer Erschütterungen, des schärfsten Klassenkampfes, des Bürgerkriegs, der Revolutionen und Gegenrevolutionen. (Vergleiche Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1957,62). Alles in allem kann zusammengefaßt werden, daß Lenin die Militarisierung positiv sieht. Durch die Militarisierung hindurch zum Frieden zu gelangen, so sieht die revolutionäre Entwicklung aus, die Gegensätze schlagen ineinander um. Die Losung der Entwaffnung trägt Illusionen in den Klassenkampf hinein und beeinträchtigt den Kampf gegen den Opportunismus, der in zwei Varianten auftritt, einem offenen, direkt gegen die Revolution arbeitenden, und einem verdeckten mit marxistischem Vokabular, wofür der Name Kautsky steht. Beide thematisieren nicht, daß und wie die konkreten Fragen der Revolution und die allgemeine Frage vom Zusammenhang des Krieges mit der Revolution zusammenhängt. Wie hängt der Krieg dialektisch mit der Revolution zusammen, gerade das wurde 1912 in Basel thematisiert.
EXKURS: Es ist gewiß kein Zufall, daß uns die Thematik des Krieges zur Thematik der Dialektik geführt hat. Gerade im Krieg muß pervers gedacht werden. Dialektisches Denken ist perverses Denken und davor, vor der letzten Konsequenz, wird zurückgeschreckt: Im Bundesarchiv (BArch Placky 5/31) ist ein Plakat der ‘Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft‘ hinterlegt, betitelt: Ewige Freundschaft mit der Sowjetunion. Heute gibt es weder die DDR noch die Sowjetunion. Es ist dies nicht etwa zynisch gemeint, als Gelächter über den Zusammenbruch, sondern mit dem Verweis verbunden, daß Lenin die Sowjets als Keimformen des Absterbens jedes Staates bestimmte. Also schon vorher - die Sowjetunion wurde 1922 gegründet, um kommunistisch unterzugehen, übrigens als erster “Staat“ auf der Welt und in der Geschichte, die Regierung der Pariser Commune setzte sich zusammen aus kleinbürgerlichen Proudhonisten und Anhängern Blanquis, beide mit kontraproduktiven jakobinischen Anwandlungen von 1793 verbunden, die bar eines dialektischen Tiefganges waren, theoretisch ohne den Gedanken, daß sich die kommunistische Anarchie nur über die Diktatur des Proletariats durchsetzt. Die Geschichte der Sowjetunion, die durch die Leninisten gegenüber der Commune in der Staatstheorie eine Epoche weiter war als die Pariser Communarden, ist anders verlaufen, hat dialektikkonform einen großen Sprung rückwärts getan, ohne aber dadurch aus dem Klassenkampfkontext heraus zu purzeln, den es auch schon in der Zeit vor dem roten Oktober 1917 gab, in dieser war er dichter als nach 1917, denn die Revolutionen in Rußland hatten 1917 das Korsett des Kontextes gelockert durch die Perspektive, die ganze Gesellschaft für immer von allen Klassenkämpfen zu befreien.
Der Sprung zurück in die vorbolschewistische Zeit eines entfesselten Imperialismus zeigt mehr den fantastischen Zickzackverlauf der Geschichte an als das endgültige Aus des Bolschewismus. Gerade der Sieg der Konterrevolution zeigt nun, daß der Sieg der Konterrevolution nichts Endgültiges ist. daß ein entfesselter Imperialismus zum dritten Weltkrieg führen muß, daß sahen helle Köpfe auf Grund des Klassenkampfkontextes, den die Perestroika keineswegs beseitigt hatte, sondern zur Wucherexplosion anzündete, schon vor über 40 Jahren, als es imperialistischen Medien gelang, die nahezu die ganze Weltbevölkerung in einen innerlich hohlen kosmopolitischen Glückseligkeitsrausch endlos friedlicher Zeiten zu versetzen.
Es ist vor lauter Verbildung und massenmedialer Gehirnwäsche heraus nicht mehr die Schlichtheit vorhanden, daß dialektisches Denken in sich perverses ist im Sinne der Verkehrung bzw. Umkehrung, des Umschlagens, die lebendige Gesetzlichkeit der Dialektik und ihr sich wechselseitiges Durchdringen findet in ihrer Immanenz, in ihr selbst statt, es ist aber nicht Perverses schlechthin abfällig, sondern der Hauptstrang, nicht das Abweichende, als was das Perverse gemeinhin gehandelt wird. Und so kommt es dann: Weltfrieden durch Weltkrieg. Die Gegensätze schlagen ineinander um. Ohne dialektische Methode verzetteln wir uns im Gestrüpp und in der Grauzone der bürgerlichen, angeblich klassenneutralen Pseudolösung gesellschaftlicher Probleme. Die bürgerlichen Intellektuellen stapeln Berge von Fremdwörtern zur Buchform, die völlige Vernichtung der Bourgeoisie (Vergleiche Lenin, Staat und Revolution, Werke, Band 25, Dietz Verlag Berlin, 1960,425) und davon, daß die Völker ein Recht auf Bestrafung von Konterrevolutionären vor Revolutionsgerichten und außerhalb ihrer haben, bleiben leere Blätter in den Stapeln.
Die sozialdemokratischen Evolutionisten verfallen auf einen historisch permanenten Wechsel von Krieg und Frieden, sie versteifen sich auf einen ständigen Wechsel Krieg-Friede, Friede-Krieg …, in das, was Hegel eine schlechte Unendlichkeit nannte. Sie verewigen den Kapitalismus mit seinen imperialistischen Kriegen. Dagegen haftet der Dialektik eine durch die Negation der Negation bedingter Finalismus an: Kommunistische Urgesellschaft, Negation der Negation durch Klassenkampfepochen, Negation dieser durch eine Serie proletarisch-bäuerlicher Revolutionen zu einem Kommunismus auf sich ständig steigernder technisch-industrieller Zivilisationsbasis. Lenin bestimmte 1920 den Kommunismus als Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes.
Ein Grundzug der Dialektik ist ihre immanente Seele, der junge Engels sprach in seiner Polemik gegen den alten Schelling von der unruhigen, tief innerlichen Dialektik. Wenn gesagt wird, durch die dialektisch-materialistische Methode erforschen wir, wie die Welt sich aus sich selbstbewegt, so bleibt das noch äußerlich, streng genommen erforscht sie, wie die Welt sich in sich selbst bewegt. Schon Hegel war der Auffassung, daß die Vernunft sich nicht in der Weltgeschichte realisiert, als ihr von außen kommend, zu ihr hinzutretend, sondern immanenter: Vernunft entwickelt sich als Weltgeschichte, ist mit ihr deckungsgleich. Lenin bestimmte die Dialektik als die Methode zur Erforschung der Widersprüche im Wesen der Dinge selbst.
Sätze, die beginnen mit: Es ist …. und die in der Regel für bare Münze genommen werden, sind aus ihrer Fixiertheit durch die tief innerliche, ruhelose Dialektik zu verflüssigen. Man bildet sich ein, dialektisch denken zu können, erfaßt aber nicht, daß dialektisches Denken tiefsinniges perverses Denken beinhaltet. Was der gesunde Menschverstand als ein ‘ist‘, was er punktuell begreift, begreift das dialektische Denken als ein Werden, als einen Prozeß. Das schlicht positivistisch Aufgenommene wird negiert und damit jeder ewige Existenz beanspruchende Punkt im Weltprozeß der mitgerissen wird. Gerade tote Punkte sind durch das dialektische Denken zu verflüssigen: Rudimentär ist ein ‘ist‘ nicht ein ‘ist‘, es ist als ein Gegeneinander Sein ohne jede weitere Bestimmung, reines Sein ist gleich seinem Gegenteil, es ist Nichts, also stets als ein sich aus der Durchdringung von Sein und Nichts ergebendes ‘werden‘ zu fassen, Werden ist eben das Zugleich sein von Sein und Nichts. Eins teilt sich in zwei, Sein und Nichts, sonst käme es nicht zur Einheit und zum Kampf und zum Umschlag der Gegensätze, zum Umschlag von Quantität in Qualität und zur Negation der Negation als ein unendlicher, spiralförmiger Prozeß. Das war gerade der Fehler Ricardos, daß er in seinem ersten Kapitel über den Wert alle möglichen Kategorien, die erst entwickelt werden sollen, als gegeben voraussetzt, um ihr Adäquatsein mit dem Wertgesetz nachzuweisen (Vergleiche David Ricardo, On the principles of political economy, and taxation, London, 1821, Seite 1 -52. Vergleiche auch: Brief von Karl Marx an Ludwig Kugelmann in Hannover aus London vom 11. Juli 1868, in: Werke Band 32, Dietz Verlag Berlin, 1960,553. In diesem Brief liegt nach Lenin von Marx eine ausgezeichnete Darstellung seines Wertgesetzes vor. “Die Wissenschaft besteht eben darin, zu entwickeln, wie das Wertgesetz sich durchsetzt.“ (a.a.O.)).
Schwimmen lernt man im Wasser, es gibt keinen zu Grunde liegenden Maßstab und Mao lag in der Militärwissenschaft richtig: Das Kriegführen lernen wir im Krieg. Es gibt keine Kriegswissenschaft vor der Kriegswissenschaft. Man kann nur wenig aus der Kriegsgeschichte lernen, jeder neue Krieg bringt eine Wucht der Unmittelbarkeit und Eigendynamik mit, die einzigartig ist. Im Krieg muß aus der Situation heraus selbst entschieden werden, da hilft keine matte Erinnerung. Aufschlußreich ist, was Lenin in seiner Schrift vom 17. Januar 1923 über die militärische Herangehensweise der Bolschewiki an die Oktoberrevolution kundtut, seine Genossen hätten sich wie Napoleon zuerst ins Gefecht gestürzt, das weitere wird sich finden. (‘On s’engage et puis on voit‘). (Lenin, Über unsere Revolution, Ausgewählte Werke, Progreß Verlag, Moskau, 1975,766).
In seiner Rede zum 4. Jahrestag der Oktoberrevolution wies Lenin die Bolschewiki an, in der Wendung zur NEP zu Großkaufmännern zu werden. Kommunisten werden zu großen Kaufmännern! -Dialektisches Denken ist eben perverses Denken: Durch den Weltkrieg zum Weltfrieden. Durch die NEP zum Sozialismus.
Das Wort ‘ewig‘ sollte der Menschheit ein Fremdwort sein. Diese wissenschaftlich klare Tatsache ist im Bewußtsein der Massen aus volksfeindlichen Intentionen der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft unterbelichtet. Die bürgerliche Blutsaugerklasse will ewig saugen und muß durch ihre ideologischen Gehirnakrobaten und Pfaffen die Funktionsweise der Aneignung formal freier und fremder Arbeitskraft in Konfusion bringen. Marx spricht von einem ABSOLUTEN Interesse der herrschenden Klassen, die Konfusion zu verewigen (Vergleiche Karl Marx, Brief an Ludwig Kugelmann in Hannover vom 11. Juli 1868, Werke, Band 32, Dietz Verlag Berlin, 1960,554). Und Lenin spricht nun gerade dem Krieg die Eigenschaft zu, daß die Revolution gerade im Zusammenhang mit ihm heranreift, sowohl in der Bewußtheit der Massen als auch in ihren Stimmungen.
Bleiben wir bei der Dialektik, gehen nur zur Dialektik des Krieges über. In der Vorbereitungsperiode des Krieges bahnt sich ein Umschlag von Quantität in Qualität an, die Kriegsparteien auf beiden Seiten nehmen zu und gewinnen Oberhand, dann kann es sogar ein Zufall sein, ein Sprung und der Krieg bricht aus, das Gesetz des Umschlags von Quantität in Qualität aber bricht nicht ab, sondern zieht sich durch den ganzen Krieg hindurch und in die Friedensperiode ins Unendliche hinein. Am Anfang des Krieges stand nur EIN Genosse Liebknecht gegen die Kriegskredite auf, am Ende des Krieges Millionen von den Leninisten Aufgeklärte, hauptsächlich Soldaten und Matrosen, in Rußland. Am Anfang des Krieges galt der Bolschewismus als Kuriosität, er wurde zu einer internationalen Erscheinung durch nachahmende Räterevolutionen, schließlich gewann er Weltbedeutung als Vorbild der Taktik für alle. Im April 1920 ging Lenin davon aus, daß die Rote Armee jede einzelne imperialistische Macht besiegen könne. Im zweiten Weltkrieg bewies sie ihre militärische Durchsetzungskraft gegen eine Koalition. Als Mao am 1. Oktober 1949 die Volksrepublik China ausrief, lebte ein Drittel der Menschheit unter der roten Fahne.
daß ein Krieg die Einheit und der Kampf der Gegensätze ist, versteht sich von selbst. Er ist geradezu ein Paradebeispiel für die Einheit und den Kampf der Gegensätze. Und die Gegensätze schlagen auch ineinander um: Durch die Militarisierung hindurch, die heute alles ist, kommt es zum Frieden. Der Krieg selbst zeigt den Weg über eine Planwirtschaft aus ihm heraus zum Frieden, denn der Imperialismus ballt alle herangereiften objektiven Bedingungen für den Sozialismus zusammen. Und zum dritten dialektischen Grundgesetz: Der Frieden geht in den Krieg über, der Krieg negiert den Frieden, der Krieg geht in den Frieden über, der Frieden negiert den Krieg.
Wie wir wissen, ist der Krieg keine autonome Erscheinung, er entwickelt sich in einem historisch-politischen Gesamtkomplex, in dem die diplomatische Politik der kriegführenden Parteien in spe zusammenbricht und der Krieg diese Politik mit anderen, nämlich gewaltsamen Mitteln, fortsetzt. Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit gewaltsamen Mitteln, und es ist wissenschaftlich unzulänglich, ihn auch nur einen Augenblick von der Politik zu trennen. Das ist eine wissenschaftliche Erkenntnis, die nicht grundsätzlich marxistisch-leninistische Wurzeln hat, denn sie stammt von dem preußischen Generalmajor Carl von Clausewitz, der aktiv an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teilgenommen und sich jahrzehntelang theoretisch mit den ungeheuerlichen Kriegen der napoleonischen Ära auseinandergesetzt hatte und die damals ganz Europa schockierten. Das Buch von Clausewitz ‘Vom Kriege‘, daß elf Jahre nach Napoleons Tod 1832 erstveröffentlicht wurde, enthält das letzte Wort der bürgerlichen Militär‘wissenschaft‘ und steht heute weltweit in den Bibliotheken der Militärakademien.
Es ist zunächst immer zu fragen, welche Klassen führen den Krieg und welchen Klassencharakter trägt er demzufolge? 9/10 aller Erörterungen über den Krieg sind ohne diese beiden Fragen nach Lenin unnütz. Lenin gibt eine genaue Charakterisierung des imperialistischen Krieges: “Die Frage der imperialistischen Kriege, jener heute in der ganzen Welt vorherrschenden internationalen Politik des Finanzkapitals, welche unvermeidlich neue imperialistische Kriege zeugt, unvermeidlich eine unerhörte Verstärkung der nationalen Unterdrückung, der Plünderung, Ausraubung, Erdrosselung der schwachen, rückständigen kleinen Völkerschaften durch eine Handvoll ‘fortgeschrittener‘ Mächte mit sich bringt – diese Frage ist seit 1914 zum Eckstein der gesamten Politik aller Länder des Erdballs geworden. Sie ist für Dutzende von Millionen Menschen eine Frage von Leben und Tod.“ (Lenin, Zum 4. Jahrestag der Oktoberrevolution, in: Lenin, Der Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1960,272). Imperialismus bedeutet Versklavung aller Länder durch das Finanzkapital. Schweden und Finnland bzw. das schwedische und das finnische Finanzkapital haben diesen Eckstein aus dem Verborgenen heraus nun auch öffentlich gemacht.
Der Krieg ist für Lenin eine Schubkraft der Geschichte, der das Alte und Morsche beiseite fegt. Und so bezeichnet Lenin insbesondere im ersten Brief seiner Briefe aus der Ferne, denn auch den ersten imperialistischen Großkrieg zwischen 1914 – 1918 als einen großen Regisseur im Hintergrund der Februarrevolution, die den Weltkrieg in einen Bürgerkrieg zwischen den feindlichen Klassen umwandelte und der die Weltgeschichte vorangebracht habe. Kleinbürgerliche Sozialisten hatten die Möglichkeit einer Umwandlung für ein Hirngespinst erklärt. Er hat auch das wirkliche Übergewicht des Opportunismus in den Reihen der internationalen Arbeiterbewegung krass aufgedeckt. Er hat stürmische Gefühle hervorgerufen, die den üblichen geistigen Dämmerzustand durchbrechen. Die revolutionäre Taktik muß sich diesen Gefühlen anpassen. Der Krieg zeigte, daß Schrecken und Verzweiflung zunahmen, die Kirchen füllten sich. Die Bourgeoisie schürt den Hass gegen den Feind, weniger der Pfaffe. In Rußland deckte der Krieg auf, “daß auch die demokratische (volkstümlerische) Intelligenz und die Partei der Sozialrevolutionäre … dem Einfluß des Chauvinismus unterlegen sind.“ (Lenin, Konferenz der Auslandssektionen der SDAPR, in: Lenin, Der Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 195741). Der antike Philosoph Heraklit hatte bereits gesagt, daß der Krieg die Menschen zusammenführe, und so tat es auch der erste Weltkrieg. Dieser hat die modernen Sklavenhalter der kapitalistischen Sklaverei mit eisernen Ketten zu einem einzigen blutigen Knäuel aneinandergefesselt. Der reaktionäre imperialistische Krieg, der er auf beiden Seiten war und der wahre Orgien von Chauvinismus entfesselte, wird als ungeheurer Beschleuniger der Weltgeschichte gedeutet, der im Weltmaßstab gewaltige Krisen hervorrief. Wie sehr hat dieser Krieg die russische Geschichte beschleunigt. Politisch ist Rußland nach vorne gekommen zum Parlamentarismus und noch dazu zu den Sowjets vom Typus der Pariser Commune. Die Sowjets stellen einen höheren Typus der Demokratie dar, der sich durch einen machtvollen Aufschwung der Massen herausbildet. Der Krieg beschleunigte auch weltweit den tiefen Antagonismus zwischen Bourgeoisie und Proletariat. Also hier der große objektive Begriff >Krieg< als Triebkraft der Geschichte. Es liegt aber kein Kult, keine Glorifizierung des Krieges vor, er ist immer zusammenzudenken mit der Selbstbewegung der Volksmassen. Unmittelbar nach der aus dem Weltkrieg unter schwersten Opfern geborenen Oktoberrevolution, die durch unglaubliche Qualen und Schwierigkeiten hindurchgehen mußte, veröffentlichten die Bolschewiki das Dekret über den Frieden, das sich an die Völker und an die Regierungen zugleich richtete. Wer sich eine glatte Revolution ohne Opfer vorstellt, stellt die Bourgeoisie höher als die sozialistische Weltrevolution. Das historische Handeln ist nicht das Trottoir des Alexander Newski-Prospekts. Diesen Satz von Tschernyschewski führte Lenin mehrmals an. Die Friedensfrage wurde als die zentrale Frage der Zeit bestimmt und die Bolschewiki schlugen einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen vor. Die Friedensbedingungen wurden in der ‘Deklaration über den Frieden‘ als nicht ultimativ angegeben, den Regierungen wurde Spielraum gelassen. Andere Friedensbedingungen könnten erwogen werden. In der Deklaration wurde die Abschaffung der Geheimdiplomatie und die Veröffentlichung der Geheimverträge angekündigt. Zweitens unternahmen die Bolschewiki nach der Februarrevolution, die gezeigt hatte, daß die bürgerliche Regierung den imperialistischen Krieg aus Profitinteressen fortsetzen mußte, alles Erdenkliche, den Krieg der Kapitalisten möglich rasch zu beenden. Die Februarrevolution hatte am Charakter des Krieges als imperialistischen nichts geändert. Die Kapitalisten können aus dem Krieg nicht aussteigen, sie können nicht auf Annexionen verzichten, sie sind mit tausenden von Fäden mit dem Bankkapital verstrickt. Den Hauptschwerpunkt legten die Leninisten zwischen dem Februar 1917 und dem Oktober 1917 auf die Aufklärung der Volksmassen über den verbrecherischen Charakter der Regierung der Kapitalisten und des von ihnen weitergeführten imperialistischen Krieges. Die Wahlen zu den Sowjets zeigten nach dem Februar, daß die Mehrheit noch dem Sozialrevolutionär Kerenski und seien Kriegstreibern folgte. Aus der Februarrevolution war zunächst eine Regierung des Krieges erwachsen, die die räuberischen Geheimverträge des Zaren Nikolaus mit den Kapitalisten Englands und Frankreichs bestätigte. Die Februarregierung und die folgenden beinahe-sozialistischen Kabinette standen für keine demokratische Politik.
Zu den Friedensbemühungen, die Lenin persönlich unternahm, gehört auch das Versenden von Briefen an die deutschen, die ungarischen und an die amerikanischen Arbeiter. Dem Brief an die amerikanischen Arbeiter maß er insofern besondere Bedeutung bei, weil diese Arbeiter mittlerweile dem jugendstarken, frischesten und kräftigsten Imperialismus gegenüberstehen. Das alte Europa fault vor sich hin, von Napoleon stammt der Ausspruch: “Cette vielle Europe m’ennuie.“ (Dieses alte Europa langweilt mich). Die US-amerikanischen Imperialisten waren als kriegskreditgebende Gläubiger der Nationen die Kriegshauptgewinner. Jeder Dollar trägt jetzt Blutspuren von 10 Millionen Ermordeter und 20 Millionen Verstümmelter.
Der Schlüsselsatz, in dem Lenin geradezu prototypisch seine Grundeinstellung zum Krieg darlegt, befindet sich im ‘Militärprogramm der proletarischen Revolution‘, eine Schrift aus dem September 1916: “Heute militarisiert die imperialistische – und andere - Bourgeoisie nicht nur das ganze Volk, sondern auch die Jugend. Morgen wird sie meinetwegen auch die Frauen militarisieren. Wir antworten darauf: Desto besser! Nur immer schneller voran – je schneller, desto näher dem bewaffneten Aufstand gegen den Kapitalismus“. (Lenin, Das Militärprogramm der proletarischen Revolution, in; Lenin: Der Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1957,99). Und ich frage mich, ob nicht wenigstens hier der Punkt erreicht ist, an dem naive Menschen mit dem Vorsatz, nichts lernen zu wollen, aus diesem Text aussteigen sollten. Im Militärprogramm der proletarischen Revolution drückt Lenin explizit aus, daß die Jugend das Gewehr annehmen soll, das ihr die Bourgeoisie in die Hand drückt.“Jetzt durchdringt die Militarisierung das ganze öffentliche Leben. Die Militarisierung wird alles. Der Imperialismus ist erbitterter Kampf der Großmächte um Teilung und Neuaufteilung der Welt, die Erde wird neu aufgeteilt, um den Sturz des Kapitalismus zu verschieben, er muß daher zur weiteren Militarisierung in allen, auch in kleinen, auch in neutralen Ländern führen. Was sollen dagegen die proletarischen Frauen tun? Nur jeden Krieg und alles Militärische verwünschen, nur die Entwaffnung fordern? Niemals werden sich die Frauen einer unterdrückten Klasse, die revolutionär ist, auf solche schändliche Rolle bescheiden. Sie werden vielmehr ihren Söhnen sagen: “Du wirst bald groß sein, man wird dir das Gewehr geben. Nimm es und erlerne gut alles Militärische – das ist nötig für die Proletarier, nicht, um gegen deine Brüder zu schießen, wie es jetzt in diesem Räuberkrieg geschieht und wie dir die Verräter des Sozialismus raten, sondern um gegen die Bourgeoisie deines ‘eigenen Landes‘ (man beachte die Anführungszeichen) zu kämpfen, mit der Ausbeutung, dem Elend und den Kriegen nicht durch fromme Wünsche, sondern durch das Besiegen der Bourgeoisie und deren Entwaffnung ein Ende zu bereiten“ (a.a.O.,100).
So denkt Lenin: Nimm es und erlerne gut alles Militärische. Er denkt ebenfalls in der Schrift zum 4. Jahrestag, daß es nur durch die bolschewistische Revolution ein Entrinnen aus der Hölle des Krieges gibt. Es ist der alles bestimmende Krieg selbst, der die Weichen in seine Überführung stellt. Der monopolistische Kapitalismus hat durch den Krieg einen Schritt nach vorn Richtung Staatskapitalismus getan. “Der Krieg selbst führt durch die unerhörte Kraftanspannung der Völker, die er verursacht, die Menschheit diesem einzigen Ausweg aus der Sackgasse entgegen: er zwingt sie, gewaltige Schritte vorwärts auf dem Wege des Staatskapitalismus zu machen und zeigt praktisch, wie eine planmäßige Gemeinwirtschaft geführt werden kann und muß …“. (Lenin, An die Arbeiter, die den Kampf gegen den Krieg und gegen die auf die Seite der Regierungen übergegangenen Sozialisten unterstützen, Sämtliche Werke, Band XIX,492-499).
In der gegenwärtigen Kriegshysterie ist untergegangen, daß es neben verbrecherischen imperialistischen ungerechten Kriegen auch gerechte Kriege gibt, die einen gesellschaftlichen Fortschritt mit sich bringen: Solche waren zum Beispiel der US-amerikanische Unabhängigkeitskrieg gegen die englische Kolonialmacht, die von der Bourgeoisie selbst geführten Jakobinerkriege gegen die feudalen Mächte Europas, der US-amerikanische Bürgerkrieg gegen die Sklaverei, antikoloniale Kriege gegen die vollgefressenen sogenannten Großmächte, Befreiungskriege und Volkskriege wie die mexikanische Revolution und der Krieg der Völker Indiens.
Imperialismus bedeutet, daß eine ganz kleine Anzahl von Kapitalisten als Repräsentanten des sich akkumulierenden Industriekapitals ganze Industriezweige an sich gerissen, daß eine ganz kleine Anzahl von Großbanken als Repräsentanten des sich akkumulierenden Finanzkapitals selbst die freiesten Republiken in Finanzmonarchien verwandelt hat. Das Kapital ist international und monopolistisch geworden. Imperialismus bedeutet, daß die ganze Welt, die ganze arbeitende Menschheit durch ein Häuflein Menschen geknechtet ist, er bedeutet politische Reaktion auf der ganzen Linie, so daß es heute Marxisten-Leninisten sind, die in der Endepoche des Kapitalismus den bürgerlichen Fortschritt gegen die mittlerweile durch und durch reaktionär gewordene Bourgeoisie historisch richtig einordnen. Diese muß jetzt im faulenden Alter ihre Jugendzeit regelrecht verdrängen. Imperialismus bedeutet aber auch, daß auf Grund der, wie Lenin sagt, warenproduktionsbedingten ökonomischen und politischen Ungleichmäßigkeit der Entwicklung der Länder der Sieg in einem einzelnen Land möglich ist. Dann würde das siegreiche Proletariat dieses Landes sogar mit Waffengewalt gegen reaktionäre Staaten vorgehen, so Lenin im August 1915 in seiner Schrift über die Vereinigten Staaten von Europa. Die Sowjetunion blieb isoliert, die Kommunistinnen und Kommunisten sahen sich in einer belagerten Festung lebend. (Vergleiche Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, in: Lenin, Der Kampf um den Frieden, Dietz Verlag, Berlin, 1957,208). Engels schrieb in einem Brief an Kautsky vom 12. September 1882 von der Möglichkeit von Verteidigungskriegen des Sozialismus, der schon gesiegt hat, gegen die Bourgeoisie anderer Länder.
Lenin sieht in imperialistischen Kriegen bei Einigkeit des unter Führung ihrer klassenbewußtesten, in einer marxistisch ausgerichteten Partei konzentrierten Elemente stehenden Proletariats, das politisch klassenkämpferisch im Bündnis mit den armen Bauern vorgeht, die Möglichkeit, den imperialistischen Krieg umzuwandeln in einen Bürgerkrieg, in dem in der Regel die formale Demokratie aufgehoben wird, für einen im Zeichen der Volksbewaffnung stehenden Sozialismus zwecks die Bourgeoisie zu besiegen, zu expropriieren und zu entwaffnen. Die Bolschewiki hatten die einzig richtige mit dem wissenschaftlichen Sozialismus übereinstimmende Losung: Umwandlung des imperialistischen Krieges in einen Bürgerkrieg zum Sturz der Bourgeoisie, für den Sozialismus und für die Organisierung der sozialistischen Wirtschaft. schon im Herbst 1914 ausgegeben. Ebenso wenig, als man eine Revolution machen kann, kann man eine Kriegsumwandlung machen, sie wächst heraus aus einer ganzen Reihe von mannigfaltigen Erscheinungen, Seiten, Momenten, Charakterzügen und Folgen des imperialistischen Krieges. (Vergleiche Lenin, Über die Niederlage der eigenen Regierung im imperialistischen Krieg, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1957,50).
Auf diesen Erkenntnisfortschritt, daß der Hauptfeind im eigenen Land steht, arbeitete Lenin, wie in Deutschland auch Karl Liebknecht, unentwegt hin, alle seine Schriften gegen den imperialistischen Krieg sind Aufklärungsschriften, um Klarheit in das Denken der Arbeiterklasse zu bringen, um den Massen klar und deutlich den Weg zu zeigen. Wir sind, schrieb Lenin in seiner Schrift ‘Marxismus und Aufstand‘ eine Partei, die ihren Weg genau kennt. Das Proletariat und die arme Bauernschaft werden mit der Zeit erkennen, daß das imperialistische Vaterland nicht das ihrige ist. Schon im ‘Kommunistischen Manifest‘ hatten Marx und Engels 1847 geschrieben, daß das Proletariat kein Vaterland habe, man kann ihm nicht nehmen, was es nicht hat. (Vergleiche Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,479). Die Oktoberrevolution, die man nicht losgelöst vom revolutionären Weltprozeß analysieren kann, hatte dann gezeigt, daß der Bürgerkrieg zwischen den Roten und den Weißen ein Bürgerkrieg zwischen den Roten und dem Weltkapital war. Auf dem 9. Parteitag gab Lenin drei Gründe für den Sieg an: Das Entscheidendste war die eiserne Disziplin in der Partei. Dadurch gelang es dieser, daß sich Millionen wie ein Mann in Bewegung setzten. Die Lehre aus den Kriegsverläufen bestand für die Bolschewiki darin, daß sie ohne Disziplin und Zentralisation, das ist der zweite Grund, die Kriegsprobleme nicht hätten lösen können. Es ging ja nicht nur um die russische Revolution, sondern um eine Bürgschaft für die proletarische Weltrevolution, die durch den Weltkrieg von den Aktivisten irrtümlich in greifbarer Nähe liegend gedeutet wurde, noch auf dem 9. Parteitag im April 1920 rechnete Lenin mit ihr. Erst ab 1923 stabilisierte sich der kapitalistische Westen. Auf dem 9. Parteitag im April 1920 verwies Lenin drei Jahre nach den Aprilthesen denunzierend auf die russischen Kleinbürger, die einen Sieg der proletarischen Sache in weltrevolutionärer Hinsicht für aussichtslos erklärten, die Bolschewiki könnten die kapitalistische Ordnung der ganzen Welt nicht besiegen. In diesem Punkt hatten letztendlich die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre Recht behalten. Das alles sagte Lenin auf dem 9. Parteitag und er sagte auch, daß durch Disziplin, Zentralisation und Selbstaufopferung unter unerhörtester Opfer der russischen Bolschewiki Millionen und Abermillionen in Rußland und auf der ganzen Welt zusammengefaßt werden konnten. Der dritte Grund, warum die Revolution in einem rückständigen und erschöpften Land gegen die höchstentwickelten Industrieländer, gegen die stärksten Länder der Welt glückte, war eben die Selbstaufopferung. Rußland war zwei Jahre nach dem Sturz des Zaren ein organisatorisch sehr wenig geschultes Land, aber unter der feudalen Hülle des Zarismus hatte der Kapitalismus die Arbeiterklasse zusammengeschweißt, je entwickelter das Land war, desto mehr waren die Arbeiter zusammengeschweißt. Nach Lenin stand die Tendenz im revolutionären Lager auf Zusammenschluß, im konterrevolutionären auf Entzweiung. So siegte schließlich der rückständige sowjetische David über den waffenstarken, sich aber entzweienden imperialistischen Goliath. Der sympathisierende Teil des Weltproletariats war für die Oktoberkämpferinnen und Oktoberkämpfer das, was der preußische Generalmajor Carl von Clausewitz eine gewichtige moralische Größe genannt hatte. Die Zahl der Sowjetanhänger wuchs während des Bürgerkrieges, militärische Waffen allein haben nicht den Bürgerkrieg gegen das Weltkapital entschieden. So entstand der Gegensatz der Kriegsparteien: Die Weißen auf einem unsoliden Sockel, entzweit, die Bolschewiki auf einer weltumspannenden Grundlage, die unendlich breiter war als die einer früheren Revolution, ein Bund, der nirgends registriert war, eine unsichtbare ‘Commune‘. Insbesondere hat dann der Vietnamkrieg gezeigt, welche Bedeutung die öffentliche Meinung für den Ausgang eines Krieges haben kann. Die Entzweiung ist der Konterrevolution wesensimmanent, sie ist ihr genuin eingewurzelt. Der kapitalistischen Klassengesellschaft kann es nicht gelingen, eine Geschlossenheit des Volkes zu gestalten. Das Eigentum, das kapitalistische Eigentum, das Kleineigentum in der Warenproduktion entzweit. Es ist das Eigentum, das entzweit. Je mehr sich die Dinge entwickelten, desto mehr entzweiten sich die Feinde der Revolution. Der Völkerbund, der zeigte, wie sich die imperialistischen Staaten gegenseitig ein Bein stellten, liefert die beste Agitation für den Bolschewismus. Er gründete auf einen ganz unsoliden Sockel, das kapitalistische Eigentum. Berufsrevolutionäre siegten aus scheinbar aussichtsloser Lage, trotz eines an Hunger und Flecktyphus darbenden Proletariats über Berufskiller, die den Krieg zu ihrem Beruf gemacht und nur ihren Sold in den Köpfen hatten.
Besonderen Wert legte Lenin auf die historische Notwendigkeit des bewaffneten Aufstandes gegen die Bourgeoisie und ihrer stehenden Heere, den er als höchste Kunst betrachtete, dieser Aufstand sei hundertmal schwieriger als ein beliebiger Nationalkrieg. Eine revolutionäre Situation liegt dann vor, wenn die unteren Klassen nicht mehr in der bisherigen Weise leben wollen und sich dessen auch bewundernswerten, die oberen aber nicht mehr in der alten Weise leben und regieren können- erst dann kann die Revolution siegen. Alle Kriegsaktivitäten des Proletariats konzentrieren sich unter der Parole ‘Auf zum letzten Gefecht – Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!‘ - auf den bewaffneten Aufstand. Im internationalen Krieg gegen den Krieg, gegen den imperialistischen Krieg als dem letzten möglichen Krieg allein, kann die Menschheit und ihre Weltkultur gerettet werden.
Welches Interesse hat das internationale Proletariat am gegenwärtigen ‘Krieg um die Ukraine‘? Es hat sich vor allem gegen die Dollarimperialisten zu kehren, Lenin bezeichnete den US-Imperialismus bekanntlich auf dem VI. Sowjetkongreß 1918 als vollgefressene Bestie, es hat vor allem das Interesse, die US-Barbaren, diese Knüppelträger der finstersten imperialistischen Macht auf Erden, die seit 1898 andere Länder ausplündern, die im ersten Weltkrieg zum Hauptfinanzier der kriegführenden Mächte in Europa wurden, die im zweiten Weltkrieg die kriegführenden europäischen Länder untereinander ausbluten ließen, vom europäischen Kontinent zu vertreiben, das heißt aber nicht, daß es einseitig Partei für die ebenfalls reaktionären Kriegstreiber, die mafiaähnlich organisierten KGB-KP-Oligarchen, die belegen, was für Bestien der Revisionismus im 20. und 21. Jahrhundert aus Menschen gemacht hat, in Moskau ergreift, vielmehr zeigt uns Lenin, wie man die Spaltungen der Imperialisten und ihre Gegensätze untereinander ausnutzen kann zum Fortschritt für die proletarische Weltbewegung. Spaltungen ausnutzen auf der einen Seite und auch Zusammenarbeit mit Klassenfeinden des Proletariats. Bei den gravierenden Spaltungen im Lager der Imperialisten darf nicht die Spaltung im Lager des Sozialismus übersehen werden, diese Spaltungen ziehen sich durch alle Länder, tragen einen universellen Charakter. In diesem Zusammenhang ist besonders auf den am 20. August 1918 geschriebenen und am 22. August 1918 in der Prawda veröffentlichten Brief an die amerikanischen Arbeiter zu verweisen. Es gibt zweierlei Übereinkommen mit der Bourgeoisie, ein Übereinkommen von Pseudosozialisten, um gegen die Arbeiter zu wirken und ein Übereinkommen zum Schutz der Arbeiter, die über ihre Bourgeoisie gesiegt haben, mit der Bourgeoise einer Farbe gegen die Bourgeoisie mit einer anderen Farbe. Es gibt fagots et fagots, wie der Franzose sagt. Lenin bringt folgendes Beispiel: Als der deutsche Imperialismus seine Truppen 1918 gegen das wehrlose Rußland warf, das seine Armee, im Grunde eine Bauernarmee, demobilisiert hatte, zögerte Lenin keinen Augenblick, mit einem französischen Monarchisten, dem Offizier de Lubersac, einem Sprengstoffexperten, zusammenzuarbeiten. Beide wollten wir uns eigentlich an die Gurgel, aber unsere Interessen fielen vorübergehend zusammen. Dadurch machten die Bolschewiki von der in jedem Krieg absolut gesetzmäßigen und obligatorischen Methode Gebrauch, zu manövrieren, zu lavieren und sich schnell zurückzuziehen. Lenin erklärte sich ohne eine Sekunde zu schwanken auch bereit, ein Übereinkommen mit deutschen imperialistischen Räubern zu schließen, wenn das ein Angriff englischer oder französischer Truppen auf Rußland erforderte.
Die maoistische Politsekte MLPD z. B. distanziert sich von allen drei imperialistischen Zentren: Washington, Moskau und Peking und behält sich eine reine proletarische Denkweise vor. Hegel sagte, daß Sekten eine “ekle Reinheit“ eigen ist. Hätte Lenin auf diese ekle Reinheit bestanden, hätte er im April 1917 nicht den deutschen Generalstab, damals sicherlich eine der kriminellsten Vereinigungen der Welt, wenn nicht die verbrecherischste, ausgenutzt. Immerhin bezeichnet Lenin in seiner Rede über den Frieden am 26. Oktober (8. November) 1917 den imperialistischen Krieg als “das größte Verbrechen an der Menschheit“(Lenin, Schlußwort zur Rede über den Frieden, in: Werke in zwei Bänden, Band II, Berlin, 1955, Seite 257). Und doch arbeitete er zeitweilig mit deutschen Monarchisten zusammen, Stalin schloß mit Hitler einen Nichtangriffspakt und lieferte Rohstoffe in das germanische Reich.
Zum Schluß dieser Rede geht Lenin auf den Unterschied zwischen dem bürgerlichen Verständnis von polit-militärischer Stärke und dem proletarischen Verständnis dieser Stärke ein: “Nach bürgerlichen Begriffen kann dann von Stärke gesprochen werden, wenn die Massen den Befehlen der imperialistischen Regierungen gehorchen und blindlings zur Schlachtbank gehen. Die Bourgeoisie hält nur dann einen Staat für stark, wenn er mit der ganzen Macht des Regierungsapparates die Massen dorthin zu dirigieren vermag, wohin es die bürgerlichen Machthaber wollen. Unser Begriff von Stärke ist ein anderer. Nach unseren Begriffen ist es die Bewußtheit der Massen, die den Staat stark machen. Er ist dann stark, wenn die Massen alles wissen, über alles urteilen können und alles bewußt tun.“ (a.a.O.,263).
Das ist ein Satz, der als Schlußwort bestens passen würde, aber die Eigenheit des gegenwärtigen Krieges bringt es mit sich, daß noch auf die Thematik der Annexionen eingegangen werden muß. Der Begriff der Annexion ist mit dem Begriff des Selbstbestimmungsrechts der Nationen aufs engste verbunden. Einen Status quo kann durchaus verändert werden. Nicht jede Verletzung des Status quo ist nach Lenin eine Annexion, das zu glauben wäre nach Lenin reaktionär und verstieße gegen die Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft. “Nicht jede Angliederung eines Landes durch Kriegsgewalt ist Annexion, denn die Sozialisten können nicht Gewaltanwendung und Kriege, die im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung geführt werden, grundsätzlich ablehnen.“ (Lenin, Vorschläge des Zentralkomitees der SDAPR an die zweite sozialistische Konferenz, Werke, Band 22, Seite 157ff.). Unter Annexion ist zu verstehen, daß ein Land gegen den Willen seiner Bewohner angegliedert wird. Im imperialistischen Krieg ist der Krieg von beiden Seiten ein annexionistischer. Es gibt hier eine eigentümliche Einheit zwischen der Bourgeoisie und den Sozialchauvinisten. Beide kämpfen zusammen gegen die annexionistischen Bestrebungen, aber nur gegen die der anderen Seite. Die Sozialchauvinisten erweisen sich als Annexionisten.
Lenin geht auch besonders auf den Pazifismus ein, der zwar wohl schmeckt, aber die Arbeiterklasse in die Irre schickt, als könne man Bourgeoisie mit Humanismus assoziieren. Die Weltgeschichte hält nun einmal keine leckeren Gerichte bereit, schon gar nicht für die armen Arbeiter und Bauern, die die imperialistische Habsucht und Geldgier auszubluten haben. Alle Imperialisten treten heute als Verteidiger des Friedens auf, aber imperialistische Regierungen sagen nicht alles, was sie denken. Hinter den weißen und reinen Friedensengeln bereiten die Imperialisten in den Dunkelkammern der Geheimdienste blutige und schmutzige Kriege vor. Den Pazifisten diktiert Lenin, daß derjenige, der sich nach einem ewigen Frieden sehnt, mit dem Bajonett gegen den Imperialismus kämpfen muß, er muß das Bajonett in den mit unheilvollsten Kriegen schwanger gehenden Mutterbauch des Imperialismus rammen. Durch den imperialistischen Weltkrieg hindurch gelangt man nur wenn man den Kampf für den Frieden mit dem revolutionären Klassenkampf und revolutionären Massenaktionen, die sich zum Bürgerkrieg steigern, verbindet zum Weltfrieden. Klassenkampf – Revolution – Bürgerkrieg, das ist die Abfolge und nicht einfach außen herum, wie es die Pazifisten erträumen. Der Krieg kann nicht dadurch beendet werden, daß die Soldaten der einen Seite die Waffen niederlegen. Und den revolutionären Sozialisten muß auch klar sein, daß der Krieg gegen die Kapitalisten, der Krieg zur Befreiung der Menschheit von der Lohnsklaverei, niemals ohne Terror, Verwüstung und Unmengen von Zerstörungen von statten gehen wird. Große Beachtung ist auch den Soldatenverbrüderungen in den Schützengräben und auf den Kriegsschauplätzen überhaupt zu schenken, den Militärgerichten gelten einzelne Verbrüderungen und Massenverbrüderungen als Hochverrat. Am 21. April (4. Mai) 1917 erschien in der Prawda ein Aufruf Lenins an die Soldaten aller kriegführenden Länder. Er redet sie mit ‘Brüder Soldaten‘ an und endet den Aufruf mit der Parole: ‘Friede den Hütten, Krieg den Palästen!‘
Wir hatten festgestellt, daß imperialistische Kriege die heute in der ganzen Welt vorherrschende internationale Politik des Finanzkapitals sind, daß sie seit 1914 zum Eckstein der gesamten Politik aller Länder des Erdballs geworden sind. Sie ist für Dutzende von Millionen Menschen eine Frage von Leben und Tod.“ (Lenin, Zum 4. Jahrestag der Oktoberrevolution, in: Lenin, Der Kampf um den Frieden, 1957,242). Wo liegt die Wurzel dieses auch 2022 gültigen Ecksteins der Weltpolitik? Lenin gibt uns die auch heute und in naher Zukunft richtige Antwort, wenn er vom imperialistischen Krieg spricht: “Der Krieg ist kein Widerspruch zu den Grundlagen des Privateigentums, sondern er ist das direkte und unvermeidliche Entwicklungsergebnis dieser Grundlagen.(Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, Ausgewählte Werke, Band 2, Berlin, 1955,753). Die Existenz des Privateigentums aber beruht auf der Konkurrenz der Arbeiter untereinander. Deshalb beendeten Marx und Engels ihr Kommunistisches Manifest ist mit dem Zuruf an die arbeitende Menschheit: PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINGT EUCH! (Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke, Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1960,493).
Wir hatten gehört, daß es bereits 1922, 3 ½ Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit seinen Aber und Abermillionen Toten und Verstümmelten eine Konferenz gegen die Gefahr eines neuen Weltkrieges im holländischen Haag gab. Hee – was ist da los? Das Ende eines barbarischen Weltkrieges ist erst 3 ½ Jahre her!! 3 ½ Jahre hin, 3 ½ Jahre her, trotz des Versailler Friedens vom 28. Juni 1919, mit dem der erste Weltkrieg, der größtes Elend für die Völker und größten Verrat an der Arbeiterklasse seitens der Opportunisten, des Überlaufens der meisten Führer in das Lager der Bourgeoisie offenbarte, offiziell endete, befinden wir uns immer noch im Tollhaus des Imperialismus, denn er war ein imperialistischer Frieden, der unter der Voraussetzung geschlossen wurde, daß das Kapital im Besitz seiner Kriegsgewinne und daß die Arbeiter Sklaven des Kapitals bleiben und Friede von Imperialisten beschlossen bedeutet, daß die Gefahr eines erneuten Eintretens eines Weltzustandes virulent bleibt, in dem Morden wieder die Hauptbeschäftigung der Proletarier aller kriegführenden Länder werden wird.
Ähnliches wiederholt sich nach dem zweiten Weltkrieg, der am 2. September 1945 mit der Kapitulation Japans endete. Aber 5 Jahre später, im Oktober 1950, wurde unter dem Decknamen Himmerod unter strengster Geheimhaltung von Adenauer angewiesen, im Kloster Himmerod in der Eifel eine Tagung mit Wehrmachtsoffizieren abzuhalten zwecks Wiederbewaffnung Westdeutschlands. Das Zisterzienserkloster Himmerod war 1135 von Bernhard von Clairveaux gegründet worden – wenn schon Konterrevolution, dann aber ordentlich! Es ist die historische Aufgabe der Arbeiterklasse und der fortschrittlichen Menschen in Deutschland, die Bundeswehr auf das zurückstauchen, was sie im Kern ist: Eine klösterliche Zwergmißgeburt. Ulrich de Maizière, Anfang April 1945 noch mit Hitler im Bunker unter der Reichskanzlei vor dem Kartentisch sitzend, war als Generalinspekteur von 1966 bis 1972 höchster Offizier der BRD, sein Sohn Thomas war deren reaktionärer Innen- und Heimatminister (2011 bis 2013) und Kriegsminister (2013 bis 2018), er war auch Innenminister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes (2005 bis 2009)
Lenin hatte, wie wir anfangs in den Notizen für die sowjetische Delegation im Haag sahen, am 4. Dezember 1922 die Meßlatte SEHR HOCH gelegt. Hier, bei der Kriegsfrage, darf es bei der Aufdeckung der Fehler keine Nachsicht geben. Man sollte, bevor man Vulgäres über den imperialistischen Krieg verbreitet, wie es jetzt in den Zeitungen der Gosse gang und gäbe ist, lieber drei-, viermal nachdenken, ehe das erste Wort fällt. Denn der Krieg ist nach Clausewitz ein Widerspruch in sich. Die sozialistische Bewegung hat vielerorts bereits vor dem Imperialismus und der Reaktion kapituliert. Nicht nur die Rote Fahne der MLPD hat sich anscheinend der Lektüre Lenins friedenspolitischer Schriften versagt, nein, in diesem Punkt blamiert sich die ganze linke Presse. In der ganzen Kriegsberichterstattung über den Krieg um die Ukraine liegt z. B. in der Ausgabe der »Roten Fahne« vom 1. April 2022 der MLPD nicht ein einziger Bezug, kein einziges Zitat, kein einziger Hinweis auf Lenin vor, dem großen Lehrer der internationalen Arbeiterklasse, dem großen Lehrer der Internationalisten der Tat. Lenin hatte eben am 4. Dezember 1922 völlig Recht, daß sich die ganze kommunistische Presse blamiere.
Bekannt ist das Wort des antiken Materialisten Heraklit, der Krieg sei der Vater aller Dinge, aber er sagt noch Tieferes: Der Krieg führe die Menschen zusammen. Also sich hassende Menschen, aufgeputschte, sich hassende Völker, was den Kapitalismus stärkt, kommen nach Heraklit durch Krieg zusammen, er erfordert, Disparates als einen Vollzug zu denken. Er folgt im Großen Gesetzmäßigkeiten (Plan, Strategie, Taktik), im Einzelnen ist er glitschig und entwickelt hier Eigendynamiken gegen sich selbst. Er kann den Händen des Generals entgleiten, mag dieser auch noch so gut seine Gesetze kennen und beherrschen und reziprok denken können. Wie Lenin 1906 in seiner Schrift über den Partisanenkrieg sagt: Der Krieg ist eine kunterbunte Sache, da darf man nicht mit einer Schablone herangehen. (Vergleiche Lenin, Über den Partisanenkrieg, Werke, Band 11, Dietz Verlag, Berlin, 1960,202ff.). Immanente Reziprozität ist eingebettet in den objektiven Vollzug des Weltganzen. Der General hat in seiner Schlacht nicht das Weltganze zum Gegenstand, sondern seine Erkenntnisschritte bzw. Erkenntnisfortschritte ergeben sich aus dem Schrittverlauf der tobenden Schlacht, deren Verlauf mit ständig neuen Lagen er reaktionsschnell widerspiegelt. Deren objektiver, sich ständig verändernder Verlauf bedingt seine sich ständig verändernden Erkenntnisse, aus denen heraus er wiederum versucht, Einfluß auf den Verlauf der Schlacht zu nehmen. Es gibt keinen Generalschlüssel zum Lesen des Krieges, er ist hektisch, situativ und bunt. Schlachten schreiben Weltgeschichte, die hinter dem Rücken der Soldaten bzw. der Kriegsproduzenten präsent ist. Großen Generälen ist sie unterschwellig intuitiv vorhanden. Hegel nannte Napoleon den “Weltgeist zu Pferde“.
Die temporäre-immanente Reziprozität der einzelnen Schlacht ist nie getrennt vom objektiven Vollzug weltgeschichtlicher Totalität - die naive Menschen als Schicksalsmacht auffassen - indessen sie doch nur das Produkt des wechselseitigen Handelns der Individuen ist, welche Form auch immer die Gesellschaft haben mag. Hier wird nun der Begriff der Geschichte mißbraucht. ‘Es sei für die Geschichte‘, daß die einfachen Soldaten zu Tausenden auf dem Schlachtfeld fallen. Nein, sie fallen aus dem Profitmaximierungsgesetz heraus. Dieser Erkenntnisvorsprung revolutionärer Soldaten garantiert - wie gesagt - nicht den Sieg ihrer gerechten Sache. In der ganzen bürgerlichen Gesellschaft grassiert auf Grund des Privateigentums an Produktionsmitteln und auf Grund der daraus resultierenden Anarchie der Produktion die Unberechenbarkeit der Folgen je einzelner Handlungen. Um wieviel mehr muß das für Kriege gelten, die aus dieser Gesellschaft herausgeboren werden. Nach dem Krieg schreien und zetern die Ideologen der Imperialisten über Zerstörung, Chaos und Anarchie, die sie selbst hervorgebracht haben und nicht die Revolutionäre. Im Krieg ist die bürgerliche Gesellschaft noch undurchsichtiger als im Frieden. Soldaten wissen nicht, warum sie Soldaten sind. ‘Ich stehe hier als Soldat auf Befehl‘, so lautete der Schlußsatz des letzten Briefes von Paulus aus Stalingrad an seine Frau in Berlin. Paulus war nicht in der Lage, durch das Toben des zweiten Weltkrieges, durch das Toben der ihn betreffenden Schlacht um Stalingrad hindurch die drei sich wechselseitig durchdringenden dialektischen Grundgesetze zu eruieren: Im Umschlag von Quantität in Qualität prozessiert sich die Einheit und der Kampf der Gegensätze durchdrungen durch die Negation der Negation, Dialektik ist keineswegs eine hölzerne, dreigliedrige Kinderklapper, mit der man die Äuglein der Völker hin- und herbewegt. Als Prozeßwissenschaft dient sie bei richtiger Widerspiegelung der Wirklichkeit der Aufklärung. Einer der ersten, die den Ausgang der Schlacht von Stalingrad als Wende des zweiten Weltkrieges erkannten, war Mao Tsetung, der in der Rote-Fahne-Zeitung der KP Chinas einen aus seiner Feder stammenden Artikel über die Schlacht publizieren ließ. Man darf sich diese Elementargesetze keineswegs schematisch eintrichtern, Dialektik läßt sich überhaupt nicht einpauken wie der Jude seinen Talmud an der Klagemauer eintrichtert, sondern durch intensives Studium Hegels und der revolutionären Klassiker. Bekanntlich bezeichnete Lenin die materialistische Dialektik als Seele des Briefwechsels zwischen Marx und Engels. Die in bürgerlichen Kreisen demagogisch als Totalitarismusforscherin gehandelte Hannah Arendt ist auf die Einheit der Gegensätze hereingefallen, als ob beide Seiten in Stalingrad das gleiche Ziel verfolgt hätten: Eine totalitäre Herrschaft über die Weltbevölkerung. Der Faschismus intendierte indessen eine rassistisch begründete Weltherrschaft, der Kommunismus eine Welt ohne politische Herrschaft - ohne Klassenkampf und folglich eine weltweite politik- und bauernfreie Gesellschaft von Arbeitenden bis zu einem sinkenden Punkt nach und nach weniger Arbeitenden als Endresultat der Klassenkampfgeschichte. Im Kommunismus ist der Unterschied zwischen industrieller Arbeit und ruraler aufgehoben.
Im zweiten Weltkrieg verhielten sich die anglo-amerikanischen Achsenmächte zunächst abwartend, damit den beiden angeblich totalitären Staaten Europas gegenseitig das Blut ausgehe, eine Politik, die in London im Salon der Lady Astor ausgeheckt worden war. Arendt war also nicht die erste, die Schirmherrschaft über die Totalitarismustheorie kommt Lady Astor zu. Die Imperialisten verpaßten den Einsatz zum Wettlauf nach Berlin. So zählebig hatten sie der Sowjetunion die Eröffnung einer zweiten Front im Westen verweigert, so sehr waren sie von der Stärke des Faschismus angetan, daß sie den raschen Vormarsch der Roten Armee nach Westen nicht angemessen deuteten. Sie kamen zu spät. Arendt vor allem zeigt, daß einseitiges Denken der Seele des Krieges zuwiderläuft, ja daß einseitiges Denken überhaupt keine wissenschaftlichen Ergebnisse zeitigt bzw. zeitigen kann. Schon der alte chinesische General und Kriegsphilosoph Sunsi hatte die wissenschaftliche Wahrheit des Krieges formuliert: ‘Erkenne Dich selbst, und erkenne den Feind, hundert Schlachten ohne Schlappe‘.
Auch in dem aktuellen Krieg wird eine fehlerhafte Totalitätstheorie verzapft. Die Sache wird nämlich so dargestellt, als befinde sich auf russischem Territorium ein finster-totalitärer Staat, in der Ukraine aber werde die saubere Fahne der europäischen Demokratie hochgehalten. Die europäischen Republiken sind im Grunde Finanzmonarchien. Einem im September 2021 publizierten Bericht des Europäischen Rechnungshofes über die Lage in der Ukraine ist zu entnehmen, daß in diesem Land die Oligarchen und die Korruption herrschen. Also wird ein einseitiges Studium des Sozialismus/ Kommunismus und ein einseitiges Studium des Imperialismus wenig Früchte tragen. Es erstaunt immer wieder, auf Menschen zu treffen, die sich für Kommunisten halten, aber die noch nie etwas vom ‘Taschenbuch für Wehrausbildung‘ der Bundeswehr gehört haben, daß jeder Bundeswehrsoldat in “seiner“ Kaserne ausgehändigt bekommt. Dieses reaktionäre Machwerk unter Federführung von Admiral Stockfisch kann nicht zur Primärliteratur gezählt werden, aber auf der Liste der Sekundärliteratur gehört es mit nach ganz oben.
Die Politik erweist heute, daß die imperialistischen Mächte alle Weichen mit knallharter militärischer Positionierung bereits auf einen dritten Weltkrieg gestellt haben und daß die nichtproletarische, kleinbürgerliche Linke sich einbildet, durch politisches und diplomatisches Gebaren, durch Politisieren, Demos, Reden, Überzeugungsarbeit, Zeitungsartikeln und Pappschwertern die Weichen im beizubehaltenden imperialistischen Weltsystem auf Frieden zurückzulenken, also die Imperialisten, die objektiv zur Kriegführung verdammt sind, durch Gedanken, die durch ihren Kopf hindurchgehen sollen, überzeugen zu können. Das Gegenteil ist der Fall, die Soldatenstiefel, die die Weichen in Kriegsposition festhalten, nehmen doch vor aller Augen zu. Es steht somit die irrige These im Raum, daß ein imperialistischer, verbrecherischer Krieg wie zurzeit in der Ukraine bei Beibehaltung des Imperialismus einen ehrlichen, demokratischen Frieden hervorbringen könne. Das ist der große Volksbetrug, der heute begangen wird, als ob zum Völkermord fähige Verbrecher einen nichtimperialistischen Frieden herbeiführen können, der keinen Keim zukünftiger Kriege in sich trägt. Es ist ja gerade die Demagogie kleinbürgerlicher und bürgerlicher Minister, pazifistischer Bourgeois, Sozialchauvinisten und linker Sozialdemokraten, die über Vermittlung durch Chinas Xi einen Frieden im imperialistischen Krieg in Aussicht stellen, der kein imperialistischer Friede sei, der zugleich die politische und ökonomische Lage der Massen verbessere. Aus der Hölle des imperialistischen Krieges gibt es keinen anderen Ausweg als die proletarische Revolution, alles andere bedeutet imperialistische Sklaverei, also keinen anderen Weg als die Abschaffung des Privateigentums der Ausbeuter, denn der imperialistische Krieg ist ja gerade die direkte Verlängerung des Privateigentums, das aufzuheben nur die Kommunisten anstreben. Für Lenin gibt es keine ausweglose Situation, Kommunisten brauchen nicht zu jammern. Hier haben wir das Schibboleth, an dem sich die falschen und wahren Freunde des Volkes, die offenen und verkappten Kriegsbesessenen und die Freunde des Weltfriedens scheiden. Schon diese ganze Konstellation deutet an, daß alle großen Fragen in der Geschichte nur mit Gewalt gelöst werden, denn die Imperialisten sind bis an die Zähne bewaffnet und kein Pazifist wird durch schönes Reden die im tiefsten Mark sitzenden Gene der Profitbesessenheit und dem aus ihr folgenden Streben nach Weltherrschaft, nach der Errichtung der eigenen Finanzherrschaft über die Welt, nach Ausplünderung der schwachen Völkerschaften, aus den Feinden der Völker herausreißen. Es gibt heute in der BRD eine bürgerliche Verschwörung des Schweigens, der bürgerliche Hauptkriegstreiber im eigenen Land, der Hauptfeind unseres Volkes, verschwindet in einer Dunkelkammer, dieser wird in Schweigen gehüllt. Und so würde unserem Volk der imperialistische Krieg auf ewig anhaften. Die marxistisch-leninistische Theorie ist die Lichtquelle, um die Insassen der Dunkelkammer erkennbar zu machen und revolutionäre Volksmassen werden sie ans Tageslicht zerren. Dabei ist nicht auszuschließen, daß die Volksmassen von ihrem revolutionären Standrecht Gebrauch machen werden. “Denn auf der Tagesordnung steht – nicht, weil wir es wollen, nicht weil irgendjemand einen Plan hat, sondern dank dem objektiven Gang der Dinge – die Entscheidung über große geschichtliche Aufgaben durch die unmittelbare Gewalt der Massen, die neue Fundamente errichtet, und nicht durch Abmachungen auf dem Boden des verfaulten und absterbenden Alten.“ (Lenin, Eine Wendung in der Weltpolitik, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag, Berlin, 1957,123). Die Diktatur des Proletariats stützt sich eben auf die unmittelbare BEWAFFNETE Gewalt der Massen.
Heinz Ahlreip