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Millionen für Milliarden

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ATHEN/BERLIN

german-foreign-policy.com/de vom 06.01.2014, veröffentlicht auf Kommmunisten-Online Neue Korruptionsvorwürfe aus Griechenland belasten führende deutsche Rüstungsfirmen. Wie ein früherer Mitarbeiter des griechischen Verteidigungsministeriums und mehrere Mittelsmänner der Rüstungsindustrie bekräftigen, haben deutsche Waffenschmieden Bestechungsgelder in Millionenhöhe bezahlt, um Athen zum Kauf von deutschem Kriegsgerät im Wert von mehreren Milliarden Euro zu bewegen. Genannt werden unter anderem Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. Die Geschäfte trugen dazu bei, die Schulden des Landes in die Höhe zu treiben; sie waren damit mitverantwortlich für die offene Eskalation der Krise. Auch weitere deutsche Konzerne haben Schmiergelder in Millionenhöhe gezahlt, um lukrative Aufträge aus Athen zu erhalten – beispielsweise Siemens. Ein griechischer Journalist, der umfassende Recherchen zur Korruption in Griechenland angestellt hat, erklärt, deutsche Unternehmen seien die „Hauptnutznießer“ des griechischen Euro-Beitritts: Letzterem seien hochdotierte Staatsaufträge aus Athen an sie gefolgt. Während die kostspieligen Aufträge dazu beitrugen, Griechenland in die Krise zu stürzen, halfen sie der deutschen Industrie auf ihrem Weg zur dominierenden Stellung in Europa.

Bestechungsgelder

Gegen führende deutsche Rüstungsfirmen werden in Griechenland neue Bestechungs-Vorwürfe laut. Wie aus Aussagen eines ehemaligen Mitarbeiters des griechischen Verteidigungsministeriums und aus Erklärungen mehrerer Mittelsmänner der Rüstungsindustrie hervorgeht, die jeweils von der Athener Staatsanwaltschaft befragt wurden, haben die Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann, Rheinmetall und Atlas hohe Schmiergelder gezahlt, um Kriegsgerät an die griechischen Streitkräfte verkaufen zu können. So räumt der einstige Leiter des Direktorats Rüstung im Athener Verteidigungsministerium, Antonios Kantas, ein, mit insgesamt etwa acht Millionen Euro bestochen worden zu sein; rund 3,2 Millionen sollen allein aus Deutschland stammen. Wie es heißt, sei der Großteil davon in ein Panzergeschäft investiert worden, das 2003 abgeschlossen wurde und 170 Kampfpanzer des Typs Leopard 2 betraf; Griechenland zahlte dafür in den vergangenen Jahren 1,7 Milliarden Euro – ungeachtet der Krise. Darüber hinaus sei es um die Modernisierung von U-Booten, den Verkauf des Flugabwehrsystems „Asrad“ und die Lieferung von Panzerhaubitzen des Typs PzH 2000 gegangen. Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann bestreiten, Bestechungsgelder gezahlt zu haben.[1]

Fünftgrößter Rüstungskäufer weltweit

Bereits zuvor haben deutsche Rüstungsgeschäfte mit Griechenland die Justiz beschäftigt. So wurde der frühere griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos im Herbst 2013 zu 20 Jahren Haft verurteilt – er hatte sich mit 55 Millionen Euro bestechen lassen, um in Athen den Kauf von Abwehrraketen aus Russland und von U-Booten aus Deutschland durchzusetzen. Bei den U-Booten ging es um vier Modelle der Klasse 214, die von der Kieler Werft HDW entwickelt wurden; die Bestechungsgelder transferierte der HDW-Partner Ferrostaal (Essen). Der Deal im Wert von gut 2,85 Milliarden Euro wurde im Jahr 2000 geschlossen. Kritiker wiesen schon kurz nach der offenen Eskalation der Krise in Griechenland darauf hin, dass die milliardenschweren deutschen Rüstungsgeschäfte maßgeblich dazu beigetragen hatten, Athen im Zeitraum von 2005 bis 2009 zum fünftgrößten Rüstungskäufer der Welt zu machen.[2] Die Waffenimporte trieben die griechische Staatsverschuldung weiter in die Höhe, bis das Land schließlich vollends in die Krise stürzte.

Zu Lasten der Steuerzahler

Nicht nur deutsche Rüstungsfirmen haben sich per Bestechung lukrative Aufträge in Athen verschafft. Hohe Wellen haben beispielsweise auch Schmiergeldzahlungen des Siemens-Konzerns geschlagen. Siemens hatte seit Ende der 1990er Jahre in Griechenland immer wieder profitable Aufträge erhalten; so führte die Firma dort die Digitalisierung des Telefonnetzes durch, lieferte Kommunikationssysteme für die Streitkräfte und war am Aufbau eines Überwachungssystems für die Olympischen Spiele 2004 in Athen beteiligt, das – als Test für eine neue „Anti-Terror“-Technologie geplant – zwar nicht rechtzeitig in Betrieb genommen werden konnte [3], aber dennoch attraktive Summen in die Konzernkassen spülte. Um die Aufträge zu erhalten, stellte Siemens umfangreiche Mittel zur Bestechung bereit; genannt werden Summen von rund 15 Millionen Euro pro Jahr. Dass sich dies für die Firma rechnete, liegt daran, dass sie ihre Korruptionskosten letzten Endes auf die griechische Bevölkerung abwälzen konnte. „Wer bei einem staatlichen Auftrag schmiert, kann auf seine Marge noch mal ein paar Millionen oben draufschlagen“, erklärt ein Fahnder das System: „Die überhöhten Preise gehen ja zu Lasten der Steuerzahler.“[4]

Billig davongekommen

Der Siemens-Konzern und die verantwortlichen deutschen Manager sind dabei recht billig aus der Affäre gekommen. So konnte sich etwa der ehemalige Chef von Siemens Griechenland, Michalis Christoforakos, der Strafverfolgung in Athen per Flucht nach München entziehen, wo er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde; ein zweites Verfahren gegen ihn wurde gegen Zahlung von 350.000 Euro eingestellt. 2009 urteilte die deutsche Justiz, Christoforakos dürfe trotz dort weiter gegen ihn anhängiger Verfahren nicht nach Griechenland überstellt werden, da die Straftaten, die ihm vorgeworfen würden, nach deutschem Recht verjährt seien. Zwei andere Siemens-Manager sind von der deutschen Justiz zur Zahlung von 45.000 bzw. 250.000 Euro Bußgeld verurteilt worden; weil man wegen derselben Tat nicht mehrmals vor Gericht gestellt werden darf, müssen sie sich nicht mehr in Griechenland verantworten, wo ihnen weit höhere Strafen gedroht hätten. Die höhere Strafandrohung hat ihren Grund im Umfang der Schäden, die die Korruption dem Land zufügt: Eine Untersuchungskommission des Parlaments in Athen bezifferte sie allein im Falle von Siemens auf mehr als zwei Milliarden Euro. Siemens hat sich Anfang 2012 mit der Athener Regierung geeinigt, zur Entschädigung auf Außenstände von 80 Millionen Euro zu verzichten, 90 Millionen Euro für Bildungs- und Antikorruptionsprogramme zu spenden und seine griechischen Aktivitäten mit gut 100 Millionen Euro auszubauen. Dies ist in Griechenland weithin als völlig unzureichend kritisiert worden.

Hauptnutznießer des Euro-Beitritts

Dass mit den Schmiergeldern der Rüstungsindustrie und des Siemens-Konzerns längst nicht alle Fälle deutscher Korruption in Griechenland aufgedeckt sind, kann als sicher gelten. So räumte die Deutsche Bahn AG im Juni 2013 ein, ihre Tochtergesellschaft DB International habe Geld abgezweigt, um beim Bau der Athener Metro Aufträge zu erhalten.[5] Zuvor hatte etwa die US-Börsenaufsicht Daimler bezichtigt, sich Geschäfte in Griechenland per Bestechung gesichert zu haben.[6] Kritiker urteilen, das Ganze habe System. „Der Hauptnutznießer“ des griechischen Euro-Beitritts seien deutsche Firmen gewesen, erklärt der Journalist Tasos Telloglou, der umfassende Recherchen über die griechische Korruption angestellt hat: Sie hätten seither hochdotierte Aufträge „besonders vom Staat“ bekommen.[7] Dank ihnen nahmen die deutschen Exporte nach Griechenland, die 2002 rund fünf Milliarden Euro betrugen, rasant zu und stiegen bis 2008 um 60 Prozent auf einen Wert von acht Milliarden Euro.

Türöffner

Für die deutsche Industrie hat sich mithin die immer wieder kritisierte Entscheidung des Berliner Kanzleramts vom Frühjahr 2000, dem griechischen Euro-Beitritt zuzustimmen, längst gelohnt. Dem Kanzleramt hatten Berichten zufolge kritische Hinweise aus Brüssel vorgelegen wie etwa derjenige, die Handelsbilanz Griechenlands weise bereits ein „sehr großes Defizit“ auf, das unter den Bedingungen einer gemeinsamen Währung zu gravierenden Problemen führen könne.[8] Diese Einschätzung, der das Kabinett Schröder keine entscheidende Bedeutung beimaß, hat sich bestätigt. Hingegen ist es der deutschen Industrie mit ihren exzessiven Exporten – nicht nur, aber auch – nach Griechenland gelungen, ihre Dominanz in Europa zu festigen.[9] Die Athener Bestechungsgelder, die gegenwärtig für Schlagzeilen sorgen, öffneten einige Türen auf diesem Weg.

Weitere Informationen und Hintergründe zur deutschen Griechenland-Politik und ihren Folgen finden Sie hier: Die Folgen des SpardiktatsAusgehöhlte DemokratieWie im Protektorat,Europa: Am Rande des Abgrunds, aber deutsch (II)Nach dem Modell der Treuhand,Verelendung made in GermanyDas Antlitz der KriseVom Stellenwert der DemokratieDer Berliner TodeswunschNicht mehr lange im selben ClubNur Missverständnisse,Auspressen und verdrängenAusterität tötet und Die Strategie der Spannung.

[1] Griechischer Ex-Spitzenbeamter gesteht Schmiergeld-Deal um deutsche Panzer. www.sueddeutsche.de 28.12.2013. Druck auf deutsche Rüstungsfirmen steigt. www.sueddeutsche.de 04.01.2013.
[2] Jan Grebe, Jerry Sommer: Griechenland: Hohe Militärausgaben trotz Finanzkrise, BICC Focus 9, Juli 2010.
[3] Minas Samatas: Security and Surveillance in the Athens 2004 Olympics. Some Lessons From a Troubled Story, in: International Criminal Justice Review, September 2007.
[4] Jörg Schmitt: Ein paar Millionen draufschlagen. www.spiegel.de 10.05.2010.
[5] Bahn-Tochter zahlte Schmiergeld in Griechenland. www.focus.de 18.06.2013.
[6] USA klagen Daimler an; www.n-tv.de 24.03.2010.
[7] Abgründe an Korruption – Deutsche U-Boote für Griechenland. Frontal21, Sendung vom 12.11.2013.
[8] Kanzleramt kannte Griechenland-Risiken schon vor Eurostart. www.stern.de 20.06.2012.
[9] S. dazu Der deutsche Glaube ans Sparen und Hartz IV für alle.

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