Offener Brief an die Leitung der Universität Erfurt
Nordhäuser Strasse 63
99089 Erfurt
Erfurt, 09.02.2015
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 05. Februar 2015 jährte sich zum 70. Mal der Tag, an dem der antifaschistische Widerstandskämpfer und ehemalige Abgeordnete des Thüringer Landtags und Staatsrates der Landesregierung Thüringen, der Reichstagsabgeordnete und Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands, der Historiker und Pädagoge Dr. Theodor Neubauer vom faschistischen Hitlerregime im Zuchthaus Brandenburg-Görden umgebracht wurde.
Da sich auf dem Campus der Universität Erfurt eine Gedenkstele für Dr. Theodor Neubauer befindet, gab es verschiedene Einzelpersonen, Organisationen und Parteien, die die Persönlichkeit von Dr. Theodor Neubauer an der dieser Stele würdigen wollten. Im Vorfeld des 05.02.2015 gab es darum mehrere Anfragen an die Leitung der Universität zur Möglichkeit dieser Ehrung. Einige Anfragen wurden mit der Begründung abgelehnt, dass gemäß der Hausordnung der Universität eine „parteipolitische Betätigung" auf dem Universitätsgelände nicht zulässig sei.
In Kenntnis dieser Einschränkung begab ich mich am 05.02.2015 um 10:00 Uhr als Privatperson zur öffentlich zugänglichen Stele Dr. Theodor Neubauers, um im stillen Gedenken ein Blumengebinde mit der Aufschrift „In ehrendem Gedenken - KPD" nieder zu legen. Bevor ich dies tun konnte, kam der Vertreter der Universität, Herr Jens Panse, auf mich und eine weitere zur Ehrung anwesende Person zu und machte uns gegenüber deutlich, dass die Universität eine parteipolitische Betätigung an der Gedenkstätte nicht gestatten würde.
Ich machte deutlich, dass ich nicht als Vertreter der Kommunistischen Partei Deutschlands diese ehrende Würdigung durchführen wolle, sondern als Einzelperson. Wir verblieben am Ende so, dass ich das Blumengebinde an die Stele legen könne und dieses Gebinde auch nach 5-6 Tagen wieder abholen würde. In diesem Zusammenhang wurde mir auch bekannt, dass am 05.02.2015 gegen 15:00 Uhr eine Würdigung Dr. Theodor Neubauers durch Vertreter des Studierendenrates der Universität Erfurt und Vertreter des VVN/BdA an der Stele erfolgen sollte.
Leider musste ich im Nachhinein feststellen, dass mein Blumengebinde kurze Zeit später - also nicht erst nach Einhaltung der abgesprochenen und zugesagten Zeitspanne - auf Anweisung der Universitätsleitung von der Stele entfernt worden war.
Ich möchte mit diesem offenen Brief mit allem Nachdruck gegen diesen anmaßenden, ungeheuerlichen Vorgang protestieren. Trotz ihres Hausrechts auf dem Geländer der Universität hat die Hochschulleitung nicht das Recht, antifaschistisches Gedenken zu verhindern oder sich durch Untersagung und Schaffung von Tatsachen eine Entscheidung darüber anzumaßen, welche Einzelpersonen des Antifaschisten Dr. Theodor Neubauer gedenken dürfen und welche nicht.
Für mich stellt sich hier die Frage, ob die Leitung der Universität sich mit dieser Entscheidung der Beseitigung meines Gebindes nicht selbst parteipolitisch engagiert hat.
Eine rein juristische Prüfung dieses Vorgangs behalte ich mir selbstverständlich vor.
Mit freundlichen Grüßen
Torsten Schöwitz