Arbeitslosen – „Hilfe“ oder Kontrolle?

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Kategorie: Nordrhein-Westfalen
Veröffentlicht am Freitag, 31. August 2018 00:00
Geschrieben von LO NRW
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Während irgendeiner Wahlkampagne besuchten die Repräsentanten der Linkspartei eine Hauptschule in Nordrhein-Westfalen. Unter anderem erzählte die zukünftige Landtagsabgeordnete, dass die Partei gegen Hartz IV kämpft. Eine Schülerin stand auf.

“Aber was soll das? Wenn ihr Hartz IV bekämpft, wie meint Ihr, wovon sollen dann unsere Familien leben?”

Das Arbeitslosengeld und die Sozialhilfe werden uns immer als enormer Vorteil des BRD-Systems dargestellt. Mehrere Leute meckern gegen die Arbeitslosen: diese Сouchpotatos sind zu faul um einen Job zu suchen und bekommen ganz einfach Geld für nichts! Das ist ein Luxus-Leben: den ganzen Tag nichts machen und immer noch genug Geld kriegen. Dabei streben diese Meckerer solchen Luxus seltsamerweise nicht für sich an, sie haben sogar Angst davor. Die Kapitalisten in der BRD sind angeblich zu großzügig. Die Staat ist unglaublich human: Sie lässt keinen unter der Brücke verrecken, so wie es selbst in reichen Ländern wie die USA nicht selten passiert. Das wird sogar als Vorteil in Vergleich zum Sozialismus dargestellt: Schließlich gab es im Sozialismus kein „Arbeitslosengeld“, alle Menschen hatten einfach einen Job und mussten auch arbeiten.

 

Obwohl seit der Einführung von Hartz IV immer deutlicher wird, dass dieses Geld alles andere als für das Leben ausreichend ist, beweisen uns immer wieder die Journalisten, Politiker und Prominenten in den Massenmedien, dass man auf Hartz IV super leben kann, man muss „nur sparen lernen“, „selbst kochen“ und „mit Geld richtig umgehen“. Selbstverständlich können die Arbeitslosen das einfach nicht. Selbstverständlich essen sie nur in Restaurants, schmeißen Geld für unnütze Sachen aus und wundern sich dann, warum so wenig bleibt. Die illustrierten Zeitschriften veröffentlichen Menüs mit Rezepten für eine ganze Woche mit einer Erklärung, wie schön man sich oder das Kind für 23 Euro ernähren kann. Die Ernährungsexperten geben Tipps wie zum Beispiel dass ein Hartz-4 Kind nur Wasser aus dem Wasserhahn trinken soll, das ist ja sowieso gesund, auch Süßigkeiten schaden der Gesundheit, also müssen diese Kinder keine bekommen.

Auch wenn nicht alle mit solchen Schikanen einverstanden sind, und nicht alle meinen, dass die Arbeitslosen einfach zu faul sind, ist dieses Bild doch ganz stark eingeprägt: die Arbeitslosen müssen dankbar sein. Man könnte sie ja einfach auf die Straße rausschmeißen, aber der Staat kümmert sich doch um sie.

Stimmt das auch und geht es um „Hilfe“ und Großzügigkeit der Herren Kapitalisten?

Arbeitslosigkeit ist eine unabwendbare Eigenschaft des Kapitalismus. Sie ist nicht nur unabwendbar, sie ist auch notwendig, z.B. in Hinsicht auf Börsenkursen. In ökonomischen Lehrbüchern steht, dass die optimale Arbeitslosigkeit für ein Land 3-5% beträgt. Worin besteht diese Notwendigkeit? Sie ist verbunden mit dem Begriff „Arbeitsmarkt“. Wenn auf dem Markt nicht genug Arbeitskräfte sind, soll der Kapitalist die Löhne erhöhen und dadurch Profit verlieren. Wenn aber etwas mehr Arbeitskraft vorhanden ist, als notwendig, kann der Kapitalist weniger zahlen und ohne Probleme die Arbeiter kündigen und austauschen. Die Arbeiter haben Angst hinter der Tür zu landen und sind dadurch gehorsam und fleißig.

Warum aber genau 3-5%? Warum darf auch keine zu große Arbeitslosenquote vorhanden sein? Eigentlich je mehr Arbeitslose, desto mehr Druck auf die Arbeiter, desto mehr Profit für Kapitalisten, ist das nicht so?

Ja, es ist so. Aber bei größerer Arbeitslosenquote kommen auch noch andere unerwünschte Folgen.

Ein Arbeitsloser hat wirklich nichts zu verlieren, das ist das Problem. Bei Arbeiter ist das immer noch Lohn und Arbeitsplatz. Nicht so sieht es bei Arbeitslosen aus. Allerdings bilden die Arbeitslosen nur das Lumpen-Proletariat, das nicht zu einem organisierten Widerstand fähig ist. Aber auch unorganisiert stört den Arbeitslosen das Leben, auch ganz allein. Wenn er selbst oder seine Kinder wirklich vor Hunger stehen und keine Hilfe bekommen, zu was ist so ein Mensch fähig? Warum sollen ihn noch irgendwelche Gesetze oder Moral dieser Gesellschaft von sogenannten kriminellen Taten aufhalten? Wie kann der bürgerliche Staat den Menschen kontrollieren, wenn er sowieso zum Hungertod verurteilt ist? So ein Mensch ist zu allem fähig.

Deswegen beschäftigte sich der bürgerliche Staat von Anfang an damit, diese Masse der Arbeitslosen irgendwie zu kontrollieren. Natürlich war das Hauptmittel dafür immer die Repression.

Kapitalismus entwickelte sich zunächst in England. Dort war es bis zum 19. Jahrhundert selbstverständlich, dass die Landstreicher und Bettler ins Gefängnis geworfen oder ausgepeitscht wurden. In 1834 wurde das Gesetz über die Arbeitshäuser beschlossen. Dort hielt man arbeitslosen Männer, Frauen und Kinder in schrecklichsten Bedingungen und bekam noch Profit aus ihrer Zwangsarbeit. Friedrich Engels in „Lage der Arbeitenden Klasse in England“ beschreibt mehrere schreckliche Beispiele von solcher Zwangsarbeit.

„..Im Arbeitshause zu Greenwich wurde im Sommer 1843 ein fünfjähriger Knabe drei Nächte zur Strafe in die Totenkammer gesperrt, wo er auf den Deckeln der Särge schlafen mußte. – Im Arbeitshause zu Herne geschah dasselbe mit einem kleinen Mädchen, das während der Nacht das Bett nicht trocken hielt; diese Art Strafe scheint überhaupt sehr beliebt zu sein. Dies Arbeitshaus, das in einer der schönsten Gegenden von Kent liegt, zeichnet sich auch dadurch aus, daß alle Fenster nach innen, nach dem Hofe zu gehen und bloß zwei neugebrochene den Bewohnern desselben einen Blick in die Außenwelt gestatten. Der Schriftsteller, der dies im “Illuminated Magazine” erzählt, schließt seine Schilderung mit den Worten:

“Wenn Gott den Menschen für Verbrechen so bestraft, wie der Mensch den Menschen straft für die Armut, dann wehe den Söhnen Adams!”

Auch im Deutschen Reich wurden nach 1871 Arbeitshäuser errichtet, die Arbeitslosen wurden zur Haft und Zwangsarbeit in solchen Häuser verurteilt.

Eine Form der Kontrolle war immer die Erniedrigung der Arbeitslosen, die menschliche Würde wurde ihnen verweigert. Es wurde die Ansicht verbreitet, dass die Armen selbstverständlich an ihrer Lage selbst verschuldet sind. In England unter Queen Elisabeth sollten die Bettler auf der Kleidung den Buchstaben P tragen, das hieß Pauper. Dies kann man als Vorgänger der Nazi-Praktiken sehen. Natürlich scheint im Vergleich zum Hunger und Tod eine Erniedrigung nicht so wichtig. Aber das war unbedingt notwendig. Denn man soll die Arbeitslosen entmenschlichen, genauso wie die Faschisten später z.B. Juden und andere „Untermenschen“ entmenschlicht haben, um sie ruhig in diese schreckliche Bedingungen zu zwingen und dann noch die von ihnen gewebten und genähten Sachen zu tragen, ohne Gewissensbisse und sogar mit der Gewissheit, etwas Gutes für „diese Faulpelze“ getan zu haben.

Dann kam das 20. Jahrhundert und die Große Oktoberrevolution. In 1930 wurde in der Sowjetunion das letzte Arbeitsamt geschlossen. Es gab keine Arbeitslosigkeit mehr. Die Arbeitslosigkeit ist eigentlich ein Widerspruch in sich, denn die Arbeit gibt es immer und überall. Es gibt nur im Kapitalismus nicht genug Geld, um sie zu bezahlen. In einer sozialistischen Planwirtschaft kann man selbstverständlich so viele Investitionen planen, wie es die vorhandene Arbeitskraft erlaubt, und für jeden einen Arbeitsplatz schaffen. Es gibt auch keine Notwendigkeit, Druck auf die Arbeitenden auszuüben, um ihre Löhne klein zu halten, denn die Wirtschaft arbeitet generell nicht für Profit. So ist es also geschehen, und so stand die kapitalistische Welt vor einer großen Herausforderung.

Selbstverständlich gab es immer rein repressive Kontrollmodelle, so wie in Lateinamerika, wo die Reichen in gut bewachten Siedlungen lebten, und die Arbeitslosen mit Hilfe von „Todesschwadronen“ kontrolliert und bei Bedarf einfach abgeschossen wurden.

Diese Modelle könnte aber nicht in der BRD umgesetzt werden. Ganz in der Nähe befand sich ein anderer deutscher Staat, wo die Arbeitskräfte immer willkommen wären, und wo es für jeden Menschen einen Platz gab. Also kam in der BRD ein dickes Arbeitslosengeld, danach lebenslange, fast bedingungslose Sozialhilfe, die ab 1961 existierte. Und man hat nicht besonders viel über „Faulpelze, die unsere Steuergelder ausnutzen“ geschimpft. Das galt sogar als eine Freiheitsmöglichkeit: Du kannst arbeiten, kannst aber auch bei bescheidenem Leben ein eigenes Projekt anfangen, z.B. einen künstlerischen, und dabei nicht umkommen – So etwas wie die heute umstrittenen Grundeinkommen. Allerdings waren diese Arbeitslosen trotzdem aus dem gesellschaftlichem Leben ausgeschlossen, desozialisiert und degradierten oft in Drogen, Alkoholkonsum oder einfach vor dem Fernseher verdummt.

Und diese großzügige Sozialhilfe war keineswegs ein Geschenk, sondern auch eine Form der Kontrolle. So wie eine Kontrolle über die Haustiere: man gibt ihnen das Futter und dadurch macht man sie abhängig und verlangt von ihnen ein bestimmtes Verhalten. Denn das Futter kann man ja auch verweigern.

Vielleicht war die Sozialhilfe als Kontrollform sogar günstiger als das repressive Modell. Denn um die Arbeitslosen abzuschrecken, abzuschießen, einzusperren, braucht man auch gut bezahlte Polizeikräfte, da muss man also auch ziemlich viel ausgeben.

Und nur die brennende Angst der BRD-Kapitalisten vor der DDR, vor der eigenen Arbeiterklasse, die vielleicht die DDR erweitern oder einfach dorthin ausreisen könnte, hat dazu geführt, dass die Arbeitslosen nicht durch Repression, sondern durch Sozialhilfe mit Desozialisation und Isolation kontrolliert wurden. Nur brennende Angst und Furcht vor dem Sozialismus! Und keinesfalls Großzügigkeit und Humanität.

Der Beweis dafür liegt auf der Hand: direkt nach Zerstörung der DDR und des sozialistischen Systems wurde auch das System der Arbeitslosenhilfe langsam, Schritt für Schritt abgebaut. Zunächst in den 90ger kamen die kleinen Schritte (so etwa wie die Absagen von Bekleidungshilfe oder strengere Kontrollen), in 2005 wurde das ganze System grundsätzlich reformiert. Nach dem Hartz-IV-Gesetz wurde die repressive und erniedrigende „Arbeitslosengeld-II“ eingeführt. Man braucht ja nicht einfach Hilfe, und man hat natürlich kein Recht auf Geld „einfach so“ – so etwas wurde nur erzählt, um die Menschen im Sozialismus irrezuführen. Man ist ja arbeitslos und soll sich also bemühen, die Arbeit zu suchen und die Beweise dafür einem Beamten vorzulegen. Die Arbeitslosen werden in allen Bereichen des Lebens sorgfältig kontrolliert. Sie können sich kein Privatleben leisten, denn der Partner soll sofort das Einkommen vorweisen und sie dann auf eigenes (meistens auch knappes) Geld durchfüttern. Sie können ihre Kinder nicht selbstständig erziehen, denn der Job-Center überprüft z.B. bei Jugendlichen die Schulnoten und entscheidet, ob das Kind in bestimmten Schulformen bleiben darf oder arbeiten gehen soll (was natürlich bedeutet: Keine Ausbildung und Arbeitslosigkeit, denn kein Arbeitgeber braucht heute einen unausgebildeten 16-Jährigen). Kleinere Kinder werden streng von Jugendamt überwacht. Job-Center kontrolliert auch die berufliche Ausbildung, denn er kann ein Gutschein dafür geben, kann es aber auch verweigern, und wenn jemand eine Ausbildung ohne Gutschein oder Studium beginnt, verliert er das Recht auf die Grundsicherung. Der Job-Center kontrolliert auch die Zeit der Arbeitslosen, sie dürfen ja nicht auf der Couch hocken: und so gehen die erwachsenen Menschen in verschiedene „Kursen“ und „Maßnahmen“, größtenteils absolut sinnlos. Dazu kommen noch die berühmten „1-Euro-Jobs“, eigentlich eine Form von Zwangsarbeit. Und natürlich die verschiedensten Schikanen: Eine Auszubildende soll den Unterricht verpassen und zum Termin in den Job-Center kommen, sonst verliert sie die Grundsicherung, eine schwangere Frau soll den schwersten „1-Euro-Job“ annehmen, sonst drohen die Sanktionen, und so weiter. Wer diesen Kontrollen widerstrebt und sich nicht musterhaft verhält, bekommt Sanktionen: Ihm wird der sowieso sehr knappe Lebensunterhalt zu 30%, 60% oder sogar komplett abgezogen, und es droht Hunger und Abstieg in die weitere Stufe des Elends: Obdachlosigkeit. Natürlich wurde alle diese Jahre massiv gegen die Arbeitslosen gehetzt, die Beispiele wurden bereits vorgeführt, und die Spaltung zwischen den Arbeitslosen und Arbeitern wird dadurch gefördert.

Das ist natürlich noch nicht der tiefste Punkt. Die AfD (die sich angeblich so gerne für die „kleinen Leute“ einsetzt) schlägt schon die nächste Maßnahmen gegen die Arbeitslosen vor: sogenannte „Bürgerarbeit“, die sich von 1-Euro-Jobs dadurch unterscheidet, dass es eine richtige zeitlich unbegrenzte Zwangsarbeit  mit minimaler Entlohnung ist. Ähnliche Ideen hat bereits die FDP verbreitet. Also das liegt in der Luft – gegen die Arbeitslosen wird noch härter, noch grausamer vorgegangen. Dadurch wird noch mehr Druck auf die heute Arbeitenden ausgeübt. Das sind die Schläge, die unser Klassenfeind gerade gegen uns alle richtet.

Gerade deswegen ist es so notwendig, dass die starke Kommunistische Partei die Arbeiterklasse mobilisiert und gegen diesen grausamen Formen der Kontrolle der Arbeitslosen vorgeht. Im Angesicht dieser unmenschlichen Taten des Klassenfeindes sollen wir wirklich gemeinsam handeln und nicht die Streitpunkte, sondern Gemeinsamkeiten suchen, und die breite Aktion gegen Hartz IV und eventuellen weiteren Verschlechterungen der Lage der Arbeiterklasse ständig aufrechthalten. Die Solidarität von Arbeitenden und Arbeitslosen ist enorm wichtig.

Das liegt jetzt in unserer Hand: den Kampf zu führen, und durch die Revolution und Diktatur des Proletariats eine Gesellschaft neu gründen, wo die Arbeitslosigkeit unmöglich ist, und alle Menschen das selbstverständliche Recht auf Arbeit haben.